Laut Mavis musste sich Oscar hier irgendwo aufhalten. Die Ländereien, die das Schloss von allen Seiten umgaben, wurden mit einem suchenden Blick aus den schokoladenbraunen Augen bedacht, aber diese winzig kleine Sehschwäche ließ es nicht zu, dass Gwendolynne mit Sicherheit sagen konnte Oscar hier irgendwo ausmachen zu können. Mit eiligen und gar nicht damenhaften Schritten näherte sich die Vertrauensschülerin dem schwarzen See. Dem sommerlichen Wetter war es zu verschulden, dass sich hier so einige Schüler und Schülerinnen von Hogwarts aufhielten um das anbrechende Wochenende und damit die Freizeit zu genießen – für den sechsten Jahrgang war bereits nach Arithmantik bis 12:30 Uhr Schluss gewesen und nun zeigte der Stundenzeiger bereits etwa 15 Uhr an. Aber Freizeit, pha. Ein Wort, welches Gwendolynne in letzter Zeit fast erbost aus ihrem Wortschatz verbannt hatte. In einer Woche würde die Abschlussprüfungen für den sechsten Jahrgang beginnen und die junge Gryffindor war fest entschlossen nur Glanzleistungen zu erbringen. Da konnte man sich nicht viel Freizeit erhoffen. Unter anderem war dies auch der Grund warum sie so verzweifelt nach dem Cousin ihrer besten Freundin suchte. Die Dunkelhaarigen stellte sich auf die Zehenspitzen und lies ihren Blick reihum und durch die jungen Hexen und Zauberer huschen. Sie seufzte, reckte sich dann aber plötzlich hoch und ein siegessicheres Lächeln erhellte für einen Wimpernschlag lang ihr Gesicht, bevor sie ihre Geschwindigkeit erhöhte und auf den Huffelpuff nahezu schon zurannte, während sie nebenbei noch drei junge Löwinnen aus dem dritten Jahrgang mit einem freundlichen, aber durchaus gestresst wirkendem Lächeln bedachte und ihnen grüßend zunickte. Ein klein bisschen außer Atem blieb sie schließlich ein paar Meter von dem Hufflepuff entfernt stehen und rief ihn bei seinem Namen: »Oscar!« Nachdem sich der junge Mann umgedreht hatte, fügte Gwendolynne noch mit einem Lächeln hinzu: »Ich habe dich bereits überall gesucht! Wärst du so gütig mir einen Augenblick deiner Zeit zu schenken? Ich habe da eine Frage … oder mehr eine dringende Bitte an dich!« Gwendolynne senkte den Blick, als wäre es ihr doch ein wenig unangenehm über dieses Thema mit Oscar zu sprechen. Aber koste es was es wolle – sie würde Glanzleistungen erbringen!

Oscar verbrachte in der Regel jede freie Minute damit sich bei den Gewächshäusern aufzuhalten, um dort die Pflanzen und Kräutern zu studieren und gerade bei diesem tollen Wetter musste er erst Recht draußen sein. Allerdings war er nicht in den Gewächshäusern, sondern befand sich auf einer Wiese und beobachtete ganz vergnügt eine kleine Pflanze mit bunten Blättern. Der Professor hatte Recht gehabt diese seltene Gewächs war sonst nicht auf den Ländereien zu finden aber irgendwie hatte es sich wohl dahin verirrt und natürlich wurde es jetzt sorgfältig von Oscar studiert. Der Hufflepuff wollte sich gerade nieder lassen, um eine genaue Skizze anzufertigen als er plötzlich seinen Namen erhörte. Beim genauen Betrachten erkannte er Gwendolynne – eine sehr gute, wohlmöglich sogar beste Freundin von seiner Cousine und so lächelte der Hufflepuff erfreut, als das Mädchen auf ihn zu eilte. „Hallo“, begrüßte er sie etwas überrascht, denn sie schien außer Atem zu sein und er konnte sich kaum vorstellen, was das Mädchen denn gerade von ihm wollte. Er war doch nur ein Hufflepuff, welcher eben mit ihrer Freundin verwandt war. Natürlich mochte er die Löwin aber sie waren nicht wirklich richtig eng befreundet und doch war er natürlich sofort bereit die Pflanze erst einmal beiseite zu lassen.

Doch als er genauer hinsah, machte er plötzlich ein erschrockenes Gesicht. „Natürlich, aber kannst du bitte einen Schritt zu Seite rücken?“ brachte er halb verzweifelt hervor und blickte sie beinah flehend an. Die Gryffindor war fast auf dieses seltene Gestrüpp getreten und das konnte er unter keinen Umständen zulassen, auch wenn er natürlich wusste, dass das nur eine Pflanze war aber es war ihm eben wichtig. „Weißt du, sie ist sehr selten und es wäre schade, wenn sie zerstört werden würde!“ erklärte er hastig und wurde etwas rot. Er wollte ja auch nicht als verrückt gelten oder so etwas aber das war ihm eben wichtig. Als sie Folge leistete, lächelte er dankbar und war nun bereit sich ganz ihr zu widmen. „Wobei kann ich dir denn behilflich sein?!“ fragte er und konnte eine gewisse Neugierde nicht verbergen. Immerhin kam es nicht oft vor, dass sie ich um etwas bat. Aber natürlich war das kein Grund ihr gegenüber nicht gewillt zu sein, sein Bestes zu geben.

Oscar begrüßte sie ebenso und wandte sich dann prompt mit einer sehr seltsamen Bitte an sie, die Gwendolynne zwar die Stirn runzeln lies, der sie aber natürlich nachkam. Er hing sofort die Erklärung an und als Gwendolynne zu Boden blickte, bemerkte sie die Pflanze die Oscar offensichtlich meinte und sie entfernte sich vorsichtig von ihr um sie nicht zu beschädigen. Der junge Hufflepuff machte seinem Ruf ganze Ehre, aber das fand Gwen sehr sympathisch an ihm. »Ist es so besser? Oder sind noch irgendwo Pflanzen, auf die ich versehentlich treten könnte?« Die Aussage selbst klang ein wenig schelmisch, aber ihren Gesichtsszügen sah man an, dass sie es ernst meinte und Oscar nicht nur neckte. Pflanzen waren schließlich der Grund warum sie so verzweifelt nach dem Hufflepuff gesucht hatte und er verstand sich auf die Kunst der Kräuter und deren Anwendung nur allzu gut!
»Darf ich fragen welches Kraut das hier ist?« erkundigte sich die Dunkelhaarige schließlich. Vielleicht konnte bereits dieses kleine Gestrüpp am Boden ihr dabei helfen mehr zu lernen und weniger zu schlafen. Stinknormaler Kaffee brachte nämlich in Bezug auf das mittlerweile nichts mehr. Er schmeckte Gwendolynne zwar, aber sie konnte auch keine drei Liter Kaffee trinken. Am nächsten Tag wäre sie sich … ja, unpässlich und das konnte sich die Gryffindor beim besten Willen nicht leisten. Eine Unterrichtseinheit zu fehlen wär momentan ihr Untergang!
Nun fragte ihr Gegenüber nach dem Inhalt ihrer Bitte und Gwendolynne antwortete: »Nun, die Prüfungen stehen bald an und ich versuche wirklich viel zu lernen, aber mich dünkt, dass einfach nicht genug Zeit vorhanden ist. Mavis meinte, dass du Kräuter kennst, durch die ich meine Konzentration steigern kann und mit denen ich auch nicht so schnell müde werde. Ich sollte kommendes Wochenende wirklich dringend Geschichte der Zauberei lernen und muss dazu zwei dicke Wälzer lesen … « Gwendolynne hoffte, dass sie Oscar ihre Problematik gut genug schildern konnte.