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MADLENE &&. TOM 6. JUNI 1943 // HOGWARTS // VOR DEM HUFFLEPUFF GEMEINSCHAFTSRAUM // MORGENS
Tom war sich nicht ganz sicher, warum es ihn überhaupt beschäftigte; weshalb er sich so von Gefühlen auffressen ließ, die er nicht kannte und deren aktuelle Empfindsamkeit so gewaltig war, wie ein wütender Orkan in seinem Inneren. Aber selbst seine Geduld war irgendwann zu Ende, besonders nach dem letzten Zwischenfall mit Potter auf den Gängen, der ihn nicht nur übermannt hatte, sondern auch in gewisser Weise auf eine sehr unangenehme Art bloß stellte. Und nicht nur das: irgendwie entglitt ihm plötzlich die Kontrolle über Personen, deren Loyalität er sich mehr als sicher war und das störte ihn. Das störte ihn sogar so sehr, dass er nicht nur bereit war anzuerkennen, dass er Eifersucht empfand, sondern auch in aller Herrgottsfrüh aus seinem Gemeinschaftsraum getürmt war, um Madelne noch vor dem Frühstück abzufangen. Dabei hatte Tom keine Ahnung, was er genau sagen sollte und ob es gerechtfertigt war sich über die Entscheidung einer Muggelgeborenen zu echauffieren (Abraxas hätte es ganz und gar nicht begrüßt, hätte er Bescheid gewusst und würde ihn im Nachhinein vermutlich dafür auch entsprechend rügen), er erachtete es jedoch als notwendig seinen Standpunkt zu vertreten, der eindeutig dagegen war, Richard Potter so viel wie einen Fußbreit Raum in der Freundschaft zu bieten, welche Tom mit Madlene pflegte. Wobei er sich an dieser Stelle nicht mehr so sicher war, wie er ihre gemeinsame Beziehung als solche auslegen sollte. Schließlich war sie für ihn nichts weiter wie ein Alibi, ein Mittel zum Zweck … doch teilen wollte er sie deshalb trotzdem nicht müssen. Es war ein Zwiespalt, der in Anbetracht der Umstände zu viel Kraft kostete.
Hinzu kam, dass Potter und Madlene im selben Jahrgang waren und der nichtsnutzige Quidditchspieler daher einen deutlichen Vorteil besaß. In Riddles Augen wusste er außerdem zu viel, beziehungsweise ahnte genug, um ihm wirklich gefährlich werden zu können und es passte dem Slytherin daher absolut nicht, dass er Madlene vielleicht Flausen in den Kopf setzte, die Misstrauen in ihn, seine Person oder Absichten schürten. Dafür hatte er zu lange an der bisher unbeschwerten Art gearbeitet, die das Miteinander zwischen der Fitz und ihm bestimmte. Wirklich etwas dagegen tun konnte Tom allerdings nicht. Es war ihm nicht möglich, Madlene auf Schritt und Tritt zu überwachen ohne dabei den falschen Eindruck zu erwecken und es würde ihm auch künftig nicht möglich sein, zu bestimmen, mit wem sie ihre Zeit verbrachte und mit wem nicht. Nicht zuletzt, weil sie in wenigen Wochen ohnehin die Schule verließ und dann … ja, was dann? Die Hände in die Hosentaschen schiebend, ging der Vertrauensschüler wie ein Tiger im Käfig vor dem versteckten Eingang des Dachsbaus auf und ab. Es konnte und sollte ihm egal sein, was aus der Muggelgeborenen wurde, ob sie ihrer Familie entfliehen und frei sein konnte, oder wie alle anderen Frauen ihrer Pflichten wegen geknechtet und verheiratet wurde. Gerade weil Tom wusste, dass sie das nicht wollte, störte es ihn umso mehr, dass er nichts dagegen tun konnte, um es zu ändern oder seine eigenen Fantasmen, die viel mehr Floskeln und Luftschlösser gewesen waren, zu verwirklichen. Denn unablässig ihrer Herkunft oder ihres Blutes war sie clever genug, mehr zu sein wie das, was man von ihr erwartete. Riddle atmete hörbar aus.
Es machte ihn wütend. All das; seine undurchschaubaren Empfindungen, seine gespaltenen Gedanken, die es schafften seine Prioritäten vor seinem eigenen Auge verschwimmen zu lassen … und sie. Ja, Madlene Fitz machte ihn wütend, weil … huh … er hatte keine Ahnung. Es war einfach so und landete daher auf dem Stapel ungelöster Widersprüche, sinnloser Gedankenfetzen und ungeklärter Gefühlswallungen. Vielleicht ging es ihm auch einfach besser, wenn er ihr weh tat; vielleicht fand alles Ruhe und Einklang, wenn er sie umbrachte. Möglicherweise kam er zu Ruhe, wenn er das Problem an der Wurzel packte und es ausriss. Er hätte sie nicht ansprechen oder herausfordern dürfen, eine dumme Idee. Dummer Riddle. Toms Stirn furchte sich, bis seine Augenbrauen wild und ungezähmt mit seiner Nasenwurzel kollidierten. Ein Tod brachte ihn an diesem Punkt allerdings auch nicht weiter, ganz im Gegenteil. Ein Tod manövrierte ihn höchstens postwendend zurück ins Waisenhaus, oder ins Gefängnis: je nachdem, wie gut er es schaffen würde, seinen Kopf ein weiteres Mal aus einer ungewollt engen Schlinge zu ziehen. Es hatte keinen Sinn. Er brauchte eine Lösung, eine Klarheit. So viel wie eine Einigung, oder einfach nur einen Schnitt. Ein Paar Worte. Oder ein Mittel gegen unerwartet pulsierende Eifersucht, die er so nicht einmal bewusst empfinden wollte, weil er schlicht unfähig war zu teilen. Der Schlag von Potter gegen seinen Kopf war wohl doch um einiges heftiger gewesen, wie angenommen.
BEAUTY OF A SECRET Everybody's waiting up to hear if I dare speak your name Put it deep beneath the track, like the hole you left in me: They know you walk like you're a God, they can't believe I made you weak, But I don't have to fucking tell them anything ♥ LENE & TOM
Träge streckte Madlene ihre Glieder aus, schloss die Augen wieder und ließ den Kopf schläfrig zurück aufs Kissen fallen. Das wohlige, warme Gefühl hatte sie unlängst verloren. Hätte sie wirklich länger im Bett bleiben wollen, hätte sie sich nicht schon umziehen dürfen, aber jetzt wo es nur noch ihre Schuhe bräuchte um sich in Richtung des Frühstücks zu bewegen, war es beinahe sinnlos darüber zu sinnieren wie schön es doch im Bett war. Nachdem es ihr in den letzten Tagen an Zeit für sich selbst gemangelt hatte, wollte sie diesen freien Sonntag nutzen, wollte wieder in Ruhe und mit Genuss die Dinge tun, die normalerweise in der Hektik ihres Lebens untergingen. Langsam nur schlüpfte sie in ihre Schuhe, fuhr sich durch das kurze Haar und gähnte, als hätte sie kein Auge zugetan. Allerdings war der gestrige Abend auch lang genug gewesen um den gesamten, nächsten Tag verschlafen zu wollen. Wie auch immer es dazu hatte kommen können, dass ihr Leben sich von so fürchterlich eintönig in das komplette Gegenteil gewandelt hatte, manchmal dürfte es gerne wieder langweiliger sein. An manchen Tagen da hätte sie absolut gar nichts dagegen wenn es einfach so wäre als kenne sie keiner; ganz gleich wo sie auch hinging, schienen überall bekannte Gesichter zu lauern, die alle mit ihren Erwartungen und Vorurteilen an sie heran gingen, dass sie unmöglich auch nur einem Einzelnen gerecht werden konnte. Die Erinnerungen vor denen sie weglief, die Last die sie sich neu aufgeladen hatte und die Verantwortung, der sie sich stellen musste, alles schien gleichzeitig auf sie zuzukommen und die Britin fühlte sich für absolut nichts davon bereit.
Leise schleichend verließ die junge Frau den Schlafsaal in Richtung des Gemeinschaftsraums, war überrascht wie wenig Gesichter sie hier antraf und begrüßte ein paar sehr schläfrige Erstklässler, die ganz offensichtlich schon den ganzen Morgen hier unten saß und mit Koboldsteinen ihr Können untereinander testeten. Natürlich erinnerte sie sich daran, dass Alaire in ihrem ersten Jahr ihr auch hatte zeigen wollen wie man es spielte, sie aber damals weder Talent noch wirkliches Verständnis dafür hatte aufbringen können. Ganz im Gegensatz zu ihrem unermesslichen Ehrgeiz in Zauberschach. Auch wenn es ihr immer noch ein Graus war, wenn die Figuren aufeinander trafen, hatte sie es früher geliebt mit den so großmäuligen Figuren zu diskutieren und noch besser hatte es ihr gefallen einen Ravenclaw in einem solchen Spiel zu schlagen. Was hätte sie dafür gegeben für immer in diesem schrecklich unkomplizierten Alter zu verharren, immer jung zu sein und sich um nichts weiter zu scheren, als das was man am nächsten Tag denn Essen könnte. Außerdem war es damals noch so schön leicht zwischen den beiden Freunden gewesen, dass sie sich noch heute dabei ertappte wie sie sich diese Unbefangenheit zurückwünschte. Es war nicht mehr das Selbe zwischen ihnen und spätestens seit dem Streit zwischen dem Anderen und Marius war ihr bewusst geworden, wie ungerecht sie sich gegenüber Alaire verhielt. Der ständige Kampf darum über sich selbst bestimmen zu können und die ständige Flucht vor männlichen Beschützerinstinkten hatten ihre Nerven dünn werden lassen, bis sie ihren Frust darüber schlichtweg nicht mehr Herrin gewesen war. Natürlich wusste sie, dass er es gut meinte, dass er das Beste für sie und sie in Sicherheit wissen wollte. Aber Lene hatte genug von halt dich fern von und versuch lieber dies oder jenes. Wenn sie lernen wollte, dann müsste man sie ihre Fehler machen lassen, müsste sie entdecken lassen wo ihre Grenzen lagen und verdammt, wenn sie Zeit mit einem elenden Slytherin verbringen würde, dann würde sich ihr kein Potter oder Broadmoor mehr in den Weg stellen, oder sie würde ihnen zeigen was passierte wenn man einer Frau, so eigenwillig wie sie es war, einem Zauberstab ausstattete. Ihr Verdruss kam also nicht von irgendwoher und es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie Alaire oder eben Richard die Meinung darüber geigen würde. Ihr hätte natürlich bewusst sein müssen, dass keiner von ihnen verstehen konnte, warum sie nicht alle Slytherins über einen Kamm scherte, sie konnten nicht wissen wie es war ihr Leben lang in die eine Kiste einsortiert zu werden, mit dutzend anderen Schülern mit denen man sich nur eine winzige Gemeinsamkeit teilte. Die Fitz, die dieses System verabscheute und wohl nichts rasender machte als diese lächerliche Sortierung, würde niemals irgendjemanden abstempeln, weil sie ihr Leben lang so betrachtet worden war. Aber zu erwarten, dass irgendjemand das verstand, der sein Leben lang das goldene Los gezogen hatte, war offensichtlich zu viel. Die Frage ob Alaire oder Richard, oder sonst irgendjemand sie jemals wirklich verstehen könnte, machte sie unruhig und sorgte dafür, dass sie kaum noch zeit mit irgendeinem Mitschüler verbringen konnte.
Das Gesicht deswegen noch immer von den nachdenklichen Zügen beherrscht, verließ die junge Frau den Gemeinschaftsraum und wäre wohl beinahe in Riddle hinein gelaufen, hätte sie nicht aus dem Augenwinkel sein Gesicht erkannt. Verwirrt und ein wenig perplex stolperte sie deswegen aus dem Eingang des Gemeinschaftsraums, ehe sie abrupt stehen blieb, allen voran um sich selbst genug Zeit zu geben diesen Anblick zu verarbeiten. Das unverfängliche Öh, wurde herunter geschluckt und Madlene entschied sich dafür, dass sie zumindest so tun könnte als wäre sie Morgens vor dem Frühstück im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten. War sie natürlich nicht, aber was machte das schon für einen Unterschied? Der sorgenvolle Ausdruck wich einem Lächeln mit dem sie den Anderen musterte, ehe sie beschloss den Mund aufzumachen. Hatte sie ja sonst keine Schwierigkeiten mit… also mit dem Reden. ,,Wartest du auf mich?’’ Eigentlich eine sinnlose Frage, wenn man bedachte, dass er wohl kaum mit den anderen Dachsen auch Freundschaft geschlossen hatte. Andererseits hatte der Jüngere bisher eine Vielfalt an Facetten von sich selbst gezeigt, dass Lene nicht einmal im Ansatz bei irgendetwas sicher war was ihn betraf. Außerdem waren die meisten ihres Hauses so zutraulich, dass sie ihn wohl aufnehmen würden wie einen verschollenen Bruder. Letztlich blieb ihr Blick an seinem Gesicht hängen und die sorgenvollen Furchen auf ihrer Stirn sorgten dafür, das sie ein paar Schritte auf ihn zumachte. Dabei hatte sie ihre Sorgen eigentlich vergessen wollen. ,,Wie geht es deiner Nase?’’, murmelte sie und zog die Augenbrauen zusammen, als könnte sie dann besser für sich ausmachen ob sie ihre Sorgen vergessen könnte oder ihn eigenhändig nochmal in den Krankenflügel tragen müsse. ,,Ich wollte nach dir sehen.’’ Aber nachdem Dumbledore sie beinahe Stunde um Stunde beschäftigt hielt und die Panik für ihre Prüfungen zu lernen sie übermannt hatte, war sie kaum zum Essen gekommen. ,,Aber letztlich dachte ich mir, dass es vielleicht auch besser wäre dich nicht zu belangen.’’ Zumindest bis sie sich nicht mehr schuldig für den Schlag auf sein Gesicht fühlte und er ihr nicht mehr die Schuld dafür geben wollte, geraten natürlich, woher sollte sie wissen was in seinem Kopf vorging.
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MADLENE &&. TOM 6. JUNI 1943 // HOGWARTS // VOR DEM HUFFLEPUFF GEMEINSCHAFTSRAUM // MORGENS
Die Zeit verstrich. Tom wusste nicht genau, wie spät es inzwischen war. Tatsächlich fühlte er sich allmählich wie ein Dummkopf, oder einer dieser Straßenköter, welchen man achtlos aus dem fahrenden Wagen geworfen hatte, weil er seinem Besitzer lästig geworden war. Nichtsdestoweniger war es jedoch seine eigene Entscheidung gewesen, Madlene vor dem Frühstück abzufangen, um so viel wie ein Paar Worte mit ihr zu wechseln, die niemanden und zu allerletzt Potters Ohren etwas angingen. Die damit einher gehende Unnahmechlichkeit des stupiden Wartens war demnach auch sein eigenes Vergehen, seine Entscheidung. Nicht, dass ihm die drückende Stille in dem verlassenen Eck zum Dachsbau in irgendeiner Weise half, sondern ihm, ganz im Gegenteil sogar, sehr unangenehm in den Ohren gellte, bis er der aufkeimenden Versuchung widerstehen musste, in ein irritierendes Selbstgepräch mit seinem anhaltenden Irrsinn zu verfallen. Was tat er hier eigentlich? War sein Stolz wirklich so angefressen, dass er dem Bedürfnis nachgeben musste, irgendetwas mit diesem Mädchen zu klären, was für sie wahrscheinlich nicht einmal von erheblichem Belang war? War seine kümmerliche Gefühlswelt plötzlich so auf eine Person fixiert, dass es ihm schwer viel mit slytherin'scher Arroganz an ihr vorüber zu gehen und sie mit einem verletzenden Wort auf ihren Stand und ihr Blut zu reduzieren wie seine Hauskameraden es taten? Tom fuhr sich mit der Hand über den Nacken, unterdessen so weit, einfach auf den Sohlen kehrt zu machen und postwendend zum Frühstück zu gehen. Aber kaum den Entschluss gefasst und mit der Möglichkeit angefreundet, seinen Zorn auf weitaus wichtigere Anliegen zu konzentrieren, spuckte der Dachsbau eben jene Schülerin aus, auf die Riddle den halben Morgen gewartet hatte.
Madlenes Reaktion auf seine unangekündigte Anwesenheit vor ihrem Gemeinschaftsraum zeugte von Überraschung, vermutlich auch ehrlicher Irritation darüber, dass man freiweg auf eine Person wartete, von der nicht einmal sicher war, ob sie überhaupt in absehbarer Zeit die Gemütlichkeit des Gemeinschaftsraumes verlassen würde. Als ihre Verblüffung schließlich nachließ und Platz machte für eine Mischung aus Freundlichkeit und Umsorgnis, ja, als sich ihre darauf folgenden Worte über den Gehörgang zwischen seine Tollheit bohrten, entrang sich der Slytherin kaum mehr wie ein angedeutetes Schulterzucken. Und während Madlene fortfuhr und ihn offen heraus musterte, erwiderte Riddle ihren aufmerksamen Blick schlicht ungerührt, beherrscht kühl unter gedrosselter Wut. Ob ein Vorübergehen nicht tatsächlich die bessere Alternative gewesen wäre? Irgendwo räkelte sich eine nach Aufmerksamkeit zappelnde Frage seitens der Muggelgeborenen, die ebenso überflüssig daher geplappert worden war, wie ihr spontaner Gruß keinen nennenswerten Atemzug zuvor. Anstatt ihr in gewohnter Höflichkeit also auf halbem Wege entgegen zu kommen und ihren versäumten Besuch im Krankenflügel mit einem gezielten ist vollkommen in Ordnung zu entschuldigen, lenkte Tom sein Augenmerk stoisch, geradezu bockig über den Kopf der Fitz hinweg. Sein Kiefer mahlte unter dem erneuten Versuch, sich endlich zu entsperren, bis seine Schläfen energisch darunter pochten. Er würde nicht zuletzt wirklich wie wie ein Hanswurst da stehen, wenn die ungereimte Funkstille seinerseits noch drastischere Ausmaße annahm. Riddles Nasenflügel blähten sich und mit krampfhaft geschürzten Lippen entgegnete er: "Ich hoffe, du hattest gestern gemeinsam mit Potter auf dem Tanztee deinen Spaß."
Er gönnte es ihr nicht. In keiner Weise. Dabei war es in erster Linie gar nicht einmal so sehr Eifersucht, die sich kochend den Weg über seine Lippen suchte, sondern ehrlicher und ernsthaft verletzter Stolz über den simplen Umstand, dass es Madlene völlig einerlei war, was für einen Eindruck sie bei ihm hinterlassen mochte, mit dem ärgsten Feind (und nach der Schlägerei im Gang traf diese Bezeichnung auf Richard Potter vermutlich sogar am besten zu) in trauter Zweisamkeit das Tanzbein zu schwingen. Und obgleich Tom die Beziehung zu der Muggelgeborenen immer als einen Vorteil für sich erachtet hatte, konnte er sich nicht ausreichend selbst belügen zu glauben, dass ihm der Kontakt, den er mühevoll zu der Fitz aufgebaut hatte, so wenig bedeutete, dass ihn Potters Aufmerksamkeitheischerei kein Dorn im Auge war. Sich räuspernd, verschränkte der Vertrauensschüler die Arme hinter dem Rücken, straffte die Schultern und erklärte sich frei jeglicher Emotion, ohne die Hufflepuff dabei wirklich anzusehen: "in Anbetracht der aktuellen Umstände glaube ich nicht, dass es noch viel Sinn macht, wenn wir … weitermachen wie bisher. In wenigen Wochen bist du mit der Schule fertig, wir würden uns ohnehin nicht länger sehen." Tom runzelte die Stirn, musterte seine Schuhe und ergänzte eisern: "Ich sage dir Lebwohl." Die Bestie in seinem Inneren rumorte, brüllte, ächzte und trat gegen ihren Käfig, gegen welchen sich Riddles Vernunft gerade so noch eisern stemmte; hier die Maske fallen lassen? Hier zeigen, wie er mit Leuten umsprang, wenn er die Beherrschung verlor? Es ging nicht; so sehr es ihn verführt hätte nicht länger verbergen zu müssen was er war und was ihn antrieb, stand zu viel auf dem Spiel, was wichtiger war, als ein kindischer Streit um die Gunst eines Mädchens.
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Nur langsam verlagerte Madlene ihr Gewicht auf den rechten Fuß, konnte nicht verhindern, dass ihre rechte Braue fragend in die Höhe zuckte, weil sie das alles noch nicht verstehen konnte. Es war als könne sie Toms Zähne bis hier knirschen hören und für einen Moment fürchtete sie, dass sie nie erfahren würde warum er sich so seltsam benahm. Normalerweise wäre sie nicht weiter darauf eingegangen, dass er sich anderes benahm. Schließlich hatte er selten in seinem Verhalten irgendwelche konstanten Züge bewahrt, wenn man von dem höflichen Lächeln absah, aber das hier war anders. Natürlich gab sie ihr Bestes sich einen Reim auf sein Verhalten zu machen, konnte aber nicht verstehen wieso er riskierte hier stundenlang auf sie zu warten um sich dann so verschlossen wie noch nie zu geben wusste. Unsicher wartete sie ab und schien kaum, dass er die Worte ausgesprochen hatte, sich beherrschen zu müssen, dass ihr die Kinnlade nicht bis ins bodenlose fiel. Innerlich schimpfte sie sich bereits eine Närrin das sie geglaubt hatte, dass Tom ganz im Gegensatz zu Richard über diesen Dingen stehen würde. Wissend, dass sie sich geirrt hatte und Potter wohl in diesem Sinne Unrecht getan hatte, versuchte sie diesen Gedanken für später in Erinnerung zu behalten. Anscheinend gab es in der männlichen Natur einen Punkt wo Intelligenz, ganz gleich wie viel man davon besaß, aussetzte. ,,Meine Begeisterung für traditionelle, nachmittägliche Beschäftigungstherapien hält sich in Grenzen’’, antwortete sie lediglich und würde gar nicht erst darauf eingehen, dass sie mit Richard dort gewesen war. Der Gryffindor hatte sie gefragt und sie hatte ja gesagt. Wieso hätte sie verneinen sollen? Hätte sie ahnen können, dass es hierzu führen würde, wäre sie mit wem auch immer hingegangen. ,,Und ich wusste nicht, dass es einen Unterschied macht wem ich auf die Füße trete.’’ Das es ihr an den typischen weiblichen Fähigkeiten mangelte war nie ein Geheimnis gewesen, noch weniger, dass sie einen leichten Hang zur Ungeschicklichkeit aufwies. Der Tanz war ihr letztlich so unbedeutend und unwichtig vorgekommen, dass sie kaum das er vorbei war, nicht einmal mehr daran gedacht hatte. Welchen Unterschied machte es ob sie diese eine Stunde ihres Lebens mit Potter oder irgendwem anders verbrachte, wenn sie danach nie wieder von Bedeutung sein sollte.
Die Britin hatte den Blick nicht gesenkt, sah dem Dunkelhaarigen lediglich dabei zu wie er sich räusperte, manierlich auf seine Haltung Acht gab und letztlich doch wieder lieber auf seine Schuhe starrte anstatt sie anzusehen. Lene hätte nicht sagen können was genau es war, dass sie an der Handlung verletzte. Vielleicht die stoische Bemühung darum sie während all dem Getue nicht anzusehen oder doch die eigene Naivität, die sie sich in Bezug auf seine Person erlaubt hatte. Richards Worte dröhnten ihr noch warnend im Ohr, sie hätte es vielleicht besser wissen müssen. Aber das wollte sie gar nicht. Sie hatte es nicht besser wissen wollen und sie hatte nichts an ihren Gedanken ändern wollen nur wegen einer kindischen Streiterei zwischen zwei Jungen. Nur wegen ein paar Schuldzuweisungen, die ihr lückenhaft erschienen waren. Schlichtweg weil sie sich selbst nicht in dieser Position hatte sehen wollen und weil sie das in Tom nicht sehen konnte, ganz gleich wie sehr sie sich auch anstrengte. Unnachgiebig drängte sich ihr die Frage auf, ob er sie wirklich nur zu seiner Tarnung benutzt hatte, ob all das hier nur gespielt war. Langsam nur senkte sie selbst ihren Blick, sah zu den dunklen Kacheln am Boden und seufzte. Nicht ohne Grund war sie nie ein Freund von Verabschiedungen gewesen, allen voran nicht wenn es so endgültig klang. Vor ihrem inneren Auge sah sie längst sich selbst, taumelnd, stürzend auf der Planke in Richtung Abgrund; eine allumfassende Metapher ihres Lebens. Wahrscheinlich hätten viele ihrer Freunde nun gesagt, dass sie diese Chance nutzen sollte. Höflich ein paar belanglose Worte nuscheln, weiterziehen und einfach so tun, als wäre all das zwischen ihnen nicht vorgefallen. Aber sie bewegte sich nicht, stand immer noch da und blieb so wortkarg wie sonst nie.
,,Es tut mir Leid’’, murmelte sie und hob nun doch den Blick an. Vorsichtig sah sie zu ihm herüber und auch wenn er es nicht zustande gebracht hatte sie anzusehen, würde es nichts an ihr ändern. ,,Richard erwähnte euren Disput nur kurz.’’ Allen voran erwähnte er verrückte Theorien darüber, dass ihr gegenüber all diejenigen ihres Blutes versteinert hatte, aber das musste sie ja nun nicht zu Wort bringen. Noch nicht. ,,Das mag naiv klingen, aber so wie ich dich kennengelernt habe dachte ich, dass du über solchen Dingen stehen würdest.’’ Ganz offensichtlich tat er das nicht. Madlene hatte nicht glauben wollen, dass es tatsächlich wie ein Hahnenkampf zweier stolzer Burschen gewesen war. Seufzend schüttelte sie den Kopf über all die dinge, die nicht hatte glauben wollen. ,,Ich habe nicht glauben wollen, was Richard erzählt hat und war mir sicher, dass du bei alledem nicht der Übeltäter wärst. Ganz offensichtlich vertraust du mir nicht so, wie ich dir.’’ Kein Vorwurf, lediglich eine simple Feststellung und ihr Ton hatte auch nichts anmaßendes gewonnen, sondern war ruhig geblieben als würde sie nicht auf sehr dünnem Eis stehen.
Doch ganz abgesehen von all den Fehlern, die sie Beide wohl begangen hatten, war sie mit dem hier nicht zufrieden. Genau aus diesem Grund hatte sie Richard gebeten nichts vorschnelles zu tun, zu warten und wusste wieder warum sie erst mit Tom hatte reden wollen; zu spät. Dennoch war es nicht die Art Abschied, die sie sich wünschte, ganz gleich wer er vielleicht war und was sie seiner Meinung nach getan hatte. Deswegen interessierte sie sich auch nicht für die Distanz, die er aufgebaut haben mochte, sondern überbrückte diese mit leichten Schritten, ehe sie wenig entfernt vor ihm zum stehen kam. ,,Das alles ändert nichts, das weiß ich.’’ Zumindest wusste sie, dass er stur genug war um seiner Meinung selbst dann treu zu bleiben, wenn die Hufflepuff nun auf Knien vor ihm rutschen würde - würde sie nicht. ,,Ich möchte nicht Lebewohl sagen und fürchten, dass ich dich dann nie wieder zu Gesicht bekomme. Und ich möchte dich noch weniger so in Erinnerung behalten, Tom.’’ Ein schiefes Lächeln schlich sich auf ihre Gesichtszüge. ,,Wenn ich dir auf Wiedersehen sage und mich verabschieden soll, dann will ich nicht, dass du oder Potter mir dieses Bild von dir kaputt machen, also sieh mich zumindest an, wenn das hier ein Abschied sein soll.’’
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MADLENE &&. TOM 6. JUNI 1943 // HOGWARTS // VOR DEM HUFFLEPUFF GEMEINSCHAFTSRAUM // MORGENS
Sich hastig über beide Schultern umsehend, griff Riddle plötzlich unerwartet fest und ungefragt nach dem Handgelenk der Hufflepuff, kaum da sie in angelbare Reichweite getreten war, um Madlene bestimmt mit sich wenige Schritt vor dem Dachsbau fort zu einer Nische zu führen, die im Halbdunkel des Ganges gegenüber des Eingangs zur Schulküche versteckt hinter einer alten, rostigen Rüstung lag. Die Nische selbst war kaum mehr wie ein gemütlicher Bogen, hinter dem sie zu zweit nur spärlich Platz fanden. Es reichte dennoch die Fitz mit konzentrierter Kraft wie seine Beute gegen die kalte Schlosswand zu bugsieren und somit eisern und bestimmt einzukesseln. Tom griff in der selben Regung auch nach ihrem anderen Handgelenk, die Mimik indes stoisch angespannt, als versuchte er gerade eine unheimlich schwierige Aufgabe zu lösen. Er sagte in all seinem Tun kein einziges Wort, sondern lauschte für einen weiteren Herzschlag bloß der drückenden Stille des Ganges in seinem Rücken und dem Atem seiner Gegenüber, der ihm furchtbar im Trommelfell gellte und sich spürbar warm oberhalb seines Hemdkragens in seine Haut nestelte. Schließlich blinzelte sich der Slytherin in die Wirklichkeit zurück und lenkte seinen Blick bohrend gefühlsfern auf Augenhöhe der Fitz. Madlenes devote Reaktion hatte er so, zugegeben, nicht erwartet. So wie er die Hufflepuff kannte, rechnete Riddle eher mit einem scharfen Wort, einer Provokation oder zumindest einer törichten Form von Erwiderung, einem Gelächter möglicherweise. Frechheit. Mit allem. Aber keiner Entschuldigung. Tom wusste mit einem "Tut mir leid" nichts anzufangen. Fürwahr brachte es ihn sogar ein bisschen durcheinander, weil er nicht auf Madlene gewartet hatte, um ihr irgendetwas zu vergeben oder ihr mehr Gehör zu schenken, wie notwendig. Jetzt allerdings interessierte es den Slytherin unweigerlich, was Potter der Hufflepuff wohl über ihn erzählt haben mochte und gab dem Drang nach, etwaige Vorwürfe – unabhängig ihres tatsächlichen Wahrheitsgehaltes – aus der Welt zu schaffen, so lange es ihm noch möglich war.
"Wenn Potter dir nur halb so viel über mich erzählt hat, wie er mir über meine wahren Absichten weismachen wollte, hat er dich sicherlich auch mit der Vorstellung geimpft, ich hätte Myrte ermordet." Toms Gesichtszüge schwankten im Schatten zwischen ehrlicher Wut, blanker Enttäuschung und sehr gut platziertem Unglauben. Er sprach so leise, dass er sich selbst kaum verstand, gluckste dazwischen freudlos und furchte die Stirn. Als dann brach der Ärger wirklich über ihn herein wie unerbittlich heftiger Regenschauer: "Glaubst du ihm das? War er dir gegenüber in seiner so äußerst charmanten Art überzeugend genug mit einer Anmaßung, die völlig absurd ist? Bei Merlins Bart, Madlene, ich bin Vertrauensschüler! Denkt du wirklich ich hätte Interesse daran meinen Mitschülern nachzustellen, um sie zu töten?!" Riddles Nasenflügel bebten, sein Kiefer mahlte und seine Stimme schwankte unkontrolliert eine gepresste Oktave nach oben. Gut, dass sein Zorn auf Potter keinem Schauspiel bedurfte, um authentisch zu wirken. Dieser vermaledeite Narr steckte mit seiner hässlichen Nase schon zu tief in Toms Angelegenheiten. Angelegenheiten, von denen er schlichtweg nichts verstand. Der Griff um die Handgelenke der Hufflepuff wurde schraubstockartig fester; er bemerkte es kaum. "Verdammt, Fitz, ich weiß nicht einmal wer meine eigenen Eltern sind – wieso sollte ich dann Jagd auf Muggelgeborene machen, wenn ich selbst von Muggeln stammen könnte?" Riddle stockte, knirschte mit den Zähnen und ließ von Madlene so hastig ab, als hätte er sich an der Berührung verbrannt. Das war nicht ganz das, was er sagen oder sogar mit der Anderen teilen wollte, weil es schlichtweg tiefer ging wie alles, was er seiner lauten Umgebung bisher über sich anvertraut hatte. Ein Teil von ihm wusste, dass diese Information bei Madlene in Sicherheit war, ein anderer mahnte ihn dazu, sofort etwas dagegen zu unternehmen und kein unnötiges Risiko einzugehen. Tom reagierte schließlich vorerst mit einem abwehrenden Schulterzucken und fuhr sich mit der flachen Hand enerviert durch das pechschwarzes, dichte Haar. Die Angst, ja die blanke Vorstellung davon in Wirklichkeit von Muggeln abzustammen, trieb bis in seine ärgsten Alpträume seinen boshaften Spaß mit ihm.
Für einen Moment sah es beinahe danach aus, als würde Riddle wieder in stumpfe Schweigsamkeit verfallen, doch bevor sich die Stille dieses Mal ausdehnen konnte, drängte er sich nüchtern fragend dazwischen: "Hat dir Potter auch gestanden, dass er mit der Schlägerei begonnen hat? Dass er mir ohne einen ersichtlichen Grund ins Gesicht geschlagen hat, bevor er mich des Mordes an einer Schülerin bezichtigte? Ohne jeglichen Beweis? Und glaubst du, ich würde es mir schließlich auch noch gefallen lassen, dass er meine Loyalität dir gegenüber in Frage stellt?" Tom schüttelte den Kopf, sein Mundwinkel zuckte vor Aufregung, während die Schläfen schmerzhaft pochten. Es war ein berauschendes Gefühl, seinen angestauten Zorn über ein Ventil ablassen zu können – und entsprachen seine Worte auch nicht der reinen Wahrheit, so machte sich in seinem Inneren eine Form der Genugtuung breit, die fast Ähnlichkeit mit Zufriedenheit hatte. Mit Erleichterung. "Es ist untertrieben zu behaupten, dass es mich … verletzt ... zu sehen, wie gut du dich mit diesem Dummkopf zu verstehen scheinst, nach allem was passiert ist. Und, jah … für gewöhnlich stehe ich über Dingen wie Eifersucht und Jähzorn, für gewöhnlich ist es mir egal, mit wem du deine Zeit verbringst. Aber das ist etwas anderes. Die Vorstellung, dass …" Der Waise hielt in seiner wieder gefundenen Redseligkeit inne, den Mund halb geöffnet, indes er sich seine nächsten Worte gut zurecht legte, bevor er abermals, nun merklich beherrschter, den Grund seines unangekündigten Besuchs wieder aufnahm: "Du kannst mit Potter zusammen sein, oder mit mir. Beides geht nicht. Ich habe dir die Entscheidung lediglich abgenommen."
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Madlene rechnete damit, dass Tom nun verschwinden würde. Seine rege Begeisterung für ihre Gesellschaft in diesem Moment ließ darauf schließen, dass er dieser Konversation sicherlich längst überdrüssig geworden war. Vielleicht würde er vorher noch Schnauben, mit den Augenrollen oder darauf bestehen, dass bereits alles gesagt wäre. Die nächste Geste war deswegen mindestens genauso unerwartet wie unerfreulich. Ein panisches, lautes Schnappen nach Luft, ehe Riddle sie wie einen Hund an der Leine hinter sich herzog. Perplex hing ihr Blick an seinem Hinterkopf, als versuche sie zu verstehen was in ihm vorgehen würde. Jeder mit gesundem Menschenverstand hätte wohl nun darauf bestanden nicht mit dem, sich seltsam verhaltenden, Slytherin mitzugehen. Aber anscheinend war sie sogar zu einfältig um nach Hilfe zu rufen. Alles was sie zustande brachte war ein stummes Quieken, als er sie in Richtung Nische beförderte und kurz darauf gegen die Wand drückte. Hilfe rufen? Jetzt? - Nichts. Kein Wort verließ ihre Lippen. Wahrscheinlich hatte das auch einen Grund, aber so spontan wollte ihr kein rationaler einfallen, also musste es, schon wieder, ein Gefühl sein dem sie folgte; großartig. Unsicher warum es sie nicht beunruhigte, dass sie nicht an ihrem Zauberstab kam, beschloss die Brünette ihn machen zu lassen. Er hatte sie auch ausreden lassen, oder? Himmel, das fühlte sich schon wie eine wirklich, wirklich einfältige Idee an und sie wusste, dass Richard sie wohl für diesen Einfall solange geschüttelt hätte bis wieder Vernunft in ihren Handlungen erkennbar gewesen wäre. Aber wann war sie jemals rational und vernünftig gewesen?
Wirklich unangenehm wurde es für sie erst als Tom zu sprechen begann. Nicht ohne Grund hatte sie versucht das Thema Myrte zu meiden und war dankbar für jedwede Form von Ablenkung gewesen. Wahrscheinlich war sie auch deswegen nicht darauf eingegangen, als Richard darüber gesprochen hatte. Es war ihr schon schwer gefallen Heather nur anzusehen, der lange genug versteinert gewesen war. Schuldgefühle größer als sie es sich hätte vorstellen können, schienen Erdrutschartig auf sie zuzusteuern, derweil sie noch versuchte den Blick ihres gegenüber stoisch zu erwidern. Auch wenn sich Zorn und Entsetzen sich gefährlich schnell mit einer ungeheuren Menge an Rechtfertigungen zu mischen schienen, schluckte sie das Bedürfnis herunter ihm einfach auf den Fuß zu treten und ihm zu sagen, was sie von seinen Mutmaßungen hielt. Er war wütend? Bitte. Seelenruhig sah sie ihm entgegen, registrierte die schwankende Stimme und den zitternden Kiefer, ebenso wie den unerwartet aufrichtigen Zorn. Ob dieser tatsächlich seit dem vermeintlichen Hahnenkampf in ihm brodelte oder sich schon durch jede Abweisung und jeden versteckten Seitenhieb in den letzten Jahren angesammelt hatte, vermochte sie nicht zu sagen. Fitz wartete dennoch, überraschend geduldig.
Ein flüchtiger Blick zu ihren Handgelenken, die unter dem Griff langsam zu Schmerzen begannen, ehe er diese erschreckend schnell losließ. Trotz dem Bedürfnis sich über die Gelenke zu fahren und sich aus der unangenehmen Situationen zu bringen, regte sich die Hufflepuff kein Stück. Erst die Erwähnung seiner Eltern sorgte dafür, dass die vermaledeiten Sorgenfurchen für einen Augenblick wieder in ihr Gesicht einkehrten. Die Brauen verengt und den Blick prüfend auf Toms Gesicht liegend, schürzte sie die Lippen, verkniff sich jede Art von weiterer Reaktion und ließ die Sorge unter mühseligen Optimismus verschwinden. Abwarten, Mädchen. Für den Bruchteil einer Sekunde wirkte es gar so als wäre er bereits am Ende seiner Rede angekommen, schien es sich allerdings dann ein weiteres Mal anders zu überlegen. Beinahe schon reaktionsarm nahm sie die Informationen über die vermeintliche Schlägerei auf, die sie nicht gewusst hatte. Ganz gleich was ihr gegenüber auch denken mochte, Potter hatte sie kaum über die Gegenüberstellung der Beiden informiert und sie hatte nicht mehr gefragt, weil sie nicht aufdringlich wirken wollte. Paradox, wie viel Riddle von Loyalität sprach, wo er scheinbar nicht einmal darauf vertraut hatte, dass sie auf seiner Seite stehen würde. Ungeachtet der Tatsache, dass er überhaupt nicht wusste was gesagt worden war und was sie wirklich glaubte, schien er mit Worten um sich zu werfen, die für Lene nicht einmal im Ansatz zutrafen. Doch sie lächelte nicht, obwohl sie es besser wusste und rollte nicht mit den Augen, weil er sich so echauffierte, sondern sah ihm immer noch gelassen vorurteilsfrei entgegen, als hätte er sie soeben nicht in eine finstre Nische gezogen um sich gehörig Luft zu machen.
Und dann, ganz plötzlich, ebenso schnell wie es angefangen hatte, war es wieder vorbei. Tom hörte auf zu sprechen, hoffentlich nicht die kurze Ruhe vor dem Sturm, denn eigentlich hatte sie das hier bereits für das Schlimmste gehalten. Offensichtlich wäre jetzt ein guter Zeitpunkt etwas zu sagen oder die Beine in die Hand zu nehmen. ,,Das hast du’’, antwortete sie und gab ein belustigtes Schnauben von sich. ,,Willkommen auf der selben Stufe wie dutzend andere Menschen, Traditionen und Vorurteile, die seit Jahren über mein Leben bestimmen.’’ Ach, da war er ja wieder: ihr trockener Humor. Wo war sie stehen geblieben… achja! ,,Tom Riddle, ich halte dich für intelligent, vielseitig und hatte dich bislang für einen guten Menschenkenner gehalten. Hier ein paar Dinge, die ich nicht über dich gedacht habe: ich habe dich nicht für einen Mörder gehalten, ich habe nicht glauben können, dass du eine Sekunde lang dieses Zuhause riskieren würdest und ich war mir auch von Anfang an ziemlich sicher, dass du diese Rauferei mit Potter nicht begonnen hast, über die ich ungefähr so viel weiß wie du über meine Beziehung zu Richard Potter: demnach also sehr, sehr wenig.’’ So viel zu ihrer Loyalität. Madlene lächelte kurz, nicht weil sie sich über Tom lustig machte, einfach weil ihr dieser ganze Augenblick so fürchterlich absurd vorkam.
Tief einatmen, tief ausatmen. Das Lächeln schwand von ihren Zügen und sie zuckte kurz, lapidar mit den Schultern. ,,Ich mag dich, Tom. Es ist Schade, dass du ausgerechnet diese Entscheidung mir abnehmen willst. Nun, ganz wie du willst, ich kann gehen oder bleiben, sollst du drüber richten. Doch fernab davon…’’ Sie schien kurz nach Worten zu suchen, biss sich auf die Unterlippe und schloss die Augen. Vielleicht ein letztes Mal auf das eigene Herz hören? Eben das aussprechen was ihr in den Sinn kam ohne zögern zu müssen? Lene öffnete die Augen, blickte ihm entgegen und erlaubte sich ein sanftes Lächeln. ,,…Sind deine Wurzeln zwar ein Teil von dir, aber sie entscheiden nicht darüber wer du heute bist. Was auch immer hinter dir liegen mag, du bist ein bemerkenswerter Zauberer und weitaus interessanter als dein schnödes, höfliches Lächeln es vorgibt.’’ Und es war ein wirklich furchtbares Lächeln, wie geleckt aus dem Magazin für zukünftige Schwiegersöhne.
Break me up and steal what's left inside And hope and pray iniquity Has died inside and left a scar
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MADLENE &&. TOM 6. JUNI 1943 // HOGWARTS // VOR DEM HUFFLEPUFF GEMEINSCHAFTSRAUM // MORGENS
Tom seufzte genervt und machte einen halben Schritt vor der Hufflepuff zurück, wobei er den Sockel der Rüstung in seinen Kniekehlen spürte. Konnte sie nicht einmal eine klare Antwort geben? Eine, die ihm weiter geholfen hätte, anstatt das Problem zu umtänzeln, das er ihr so bereitwillig vor die Füße warf? War es so schwer ihm einfach zu sagen, was um Himmels Willen sie mit diesem Potter-Jungen wollte? Wieso sie ihn als ihren Freund bezeichnete, obwohl er andere Personen aus ihrem sogenannten Freundeskreis nicht nur provozierte, sondern auch diverse Gerüchte verbreitete, um dem Ruf jener Freunde zu schaden? Sie spielte die Beziehung zu dem Gryffindor herab. Riddle strafte sie Lüge; er glaubte ihr nicht. Tiefe, ungeduldige Furchen zeichneten sich zwischen Riddles Augenbrauen ab, den Blick Madlenes unbewegt erwidernd, während er versuchte, ihr Geplapper für sich zu entwirren und in Bezug auf sein eigenes Gesprochenes in Einklang zu bringen. Schlussendlich kam er an einen Punkt, wo seine verkrüppelte Gefühlswelt annahm, dass sie mit seinen Worten, seiner Entscheidung und seinen Vorwürfen in einer abstrusen Weise einverstanden war. Nicht zuletzt, weil sie keine Anstalten machte, sich zu wehren. In welcher Form auch immer. Widerspruchslos, sozusagen. Wie ernüchternd. Und war das, zusammen gefasst, nicht Antwort genug?
Ihre Komplimente und das damit verbundene Mitleid ob seiner Familie prallten an Tom ab, wie Wasser an einer brach liegenden Felswand. Zu oft hatte er sich Honig ums Maul schmieren lassen, es genossen, sich stellenweise sogar wichtiger gefühlt, wie er tatsächlich war und nicht selten hatten sich eben jene schmeichelnden Aussagen als völliger Humbug entpuppt. Man log. Man wollte glänzen. Man wollte … keinen Streit. Es war immer das Selbe. Und jetzt waren weder Ort noch Zeit passend für eine all umfassende, herzliche Unterhaltung über Herkunft, über Blut oder imaginäre Eltern. Dass Tom es überhaupt so weit hatte kommen lassen, ein Wort darüber zu verlieren, ärgerte ihn inzwischen. Das hätte nicht sein müssen; aus dem einfachen Grund, weil es ihm zuwider war diesen Teil seiner Selbst, der höchstens nur für ihn bestimmt war, in aller Öffentlichkeit breit zu treten. Es ging niemanden etwas an. Fitz nicht, Potter nicht … und besonders keinen Albus Dumbledore, der mit Sicherheit ähnliches an Madlenes Stelle zu ihm gesagt hätte. Tom schüttelte leicht den Kopf, schob die Hände in die Hosentaschen, schürzte die Lippen und entgegnete ungewöhnlich plump, die Augenwinkel verengt: "Dem wäre damit dann wohl Genüge getan."
Der Vertrauensschüler mimte eine knappe, höflich angeeignete Verbeugung für seine Empfehlung, bevor er in der Geradlinigkeit eines Raubtieres auf den Fersen kehrt machte und sich an der Rüstung vorbei aus der Nische kämpfte; auf dem verlassenen Gang hielt er schließlich inne und sah nochmals über die Schulter zu der Hufflepuff zurück: "Viel Erfolg." Die Prüfungen standen an, sie hatte zu tun – so viel sogar, dass sie angeblich zu eingespannt gewesen war, einen Abstecher in den Krankenflügel zu machen. Der Slytherin war sich noch nicht einig mit sich selbst, ob ihn das wirklich kränken sollte, oder nicht. Vermutlich schon, wenn man es auf freundschaftlicher Ebene betrachtete. Wenn. Es spielte keine Rolle. Unabhängig davon wollte sie frei sein. Frei von Zwang, frei von einem System, von Verpflichtungen. Es würde Arbeit werden, all diese Stufen nach der Schule zu erreichen. Als Frau. Tom hatte Madlene Abenteuer angeboten, hatte für einen kurzen Moment sogar ernsthaft darüber nachgedacht, diese Fantasie wider aller Bestürzung seitens seiner Freunde zu verwirklichen, weil es ihn reizte. Er hätte ihr ihre so ersehnte Freiheit ohne zu zögern geschenkt. Doch jetzt, als er sich umdrehte und ging, war sich ein Teil seiner Überheblichkeit sicher, dass sie sie nicht verdiente