Randalierende Schachfiguren und andere Probleme
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JUDITH ROSENBLUTH & NIKOLAJ BLINOW & LAUREL CAVENDISH
14. Mai; gegen 16 Uhr; leeres Klassenzimmer



Wenn Judith ehrlich war, hatte sie heute nicht das Geringste für Schach übrig. Es würde sie auch wundern, wenn mehr als ein oder zwei andere Spieler auftauchten. Aber das gehörte nun einmal dazu, wenn man die Leitung eines Clubs innehatte: Egal, was passierte, man hatte gefälligst dafür zu sorgen, dass der Club stattfinden konnte. Ganz besonders, wenn man plötzlich die einzige Leitung war.
Die Art, wie Judith die drei Schachbretter, die sich in ihrem Besitz befanden, heute mit noch größerer Sorgfalt ausrichtete als üblich, sprachen Bände über ihren Gemütszustand. Normalerweise ging es nur darum, dass jedes auf einem Tisch lag, an dem rechts und links ein Stuhl stand. Heute verschwendete sie jedoch mehr Zeit als üblich darauf, sie mittig zu platzieren und möglichst genau parallel zu den Tischkanten auszurichten. Ebenso stellte sie die Stühle exakt gegenüber, mit gleichem Abstand zum Tisch. Alles, damit sie beschäftigt war und so wenig denken konnte wie möglich.
Fünf Schüler waren versteinert worden und jetzt ging auch noch das Gerücht um, es sei jemand gestorben. Ein Muggelstämmiger, natürlich.
Vielleicht sollte Judith bereits dabei sein, ihre Tasche zu packen und einen Brief an ihre Eltern zu schicken, dass sie abgeholt werden musste. Aber ganz davon abgesehen, dass sie nicht einmal wüsste, wohin sie ihre Eltern bestellen sollte – wie fand ein Muggel Hogsmeade? –, wollte sie sich nicht vertreiben lassen. Nicht noch einmal. Sie liebte Hogwarts, die weichen Sessel im Gemeinschaftsraum, die magische Decke in der Großen Halle, die Trickstufen und die sich bewegenden Gemälde. Sie wollte die Schule nicht verlassen müssen. Nach dem, was sie hier erlebt hatte, würde ihr ein Leben, wie sie es vor ihrem 11. Geburtstag geplant hatte, unendlich schal vorkommen. Sie wollte nicht einfach im Laden ihres Vaters helfen, heiraten, Kinder kriegen und vielleicht irgendwann mit ihrem Mann den Laden übernehmen. Sie wollte mehr und das konnte sie nur, wenn sie in Hogwarts blieb.
Seufzend ließ sie sich auf einen Stuhl fallen und wühlte in ihrer Schultasche nach dem Beutel mit den Schachfiguren. Sie kippte die Figuren auf den Tisch vor sich und begann, sie zu ordnen und zu überprüfen, ob irgendeine fehlte. Das passierte häufiger, meist lagen sie dann in irgendeiner Ecke des Gemeinschaftsraumes oder waren in den Tiefen ihrer Tasche verschwunden.
Als sie eine Berührung an ihrem Rockzipfel spürte, hätte sie fast geschrien, doch ein Blick nach unten zeigte ihr Hannah, die den festen Stoff nutzte um auf ihren Schoß zu klettern. Offenbar war die kleine Ratte irgendwann nach ihrer letzten Unterrichtsstunde zwischen ihre Bücher gekrochen und sie hatte es nicht bemerkt, als sie vorhin ihre Tasche geholt hatte und die Sachen für den Schachclub hinein getan hatte.
“Na, Kleine“, flüsterte sie, “Ob heute überhaupt jemand kommt?“
Sie war sich nicht sicher, ob sie das wollte oder nicht. Wenn niemand kam, würde sie hier zwei Stunden allein mit Hannah sitzen, wenn sich jemand jedoch wenig genug von den Geschehnissen beeindrucken ließ um trotzdem zum Schachclub zu kommen, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es ein Slytherin war, und auf die Aussicht, zwei Stunden mit einer Schlange zu verbringen war eher noch unangenehmer. Sie hatte keine Lust darauf, auf ihren Blutstatus angesprochen zu werden. Sie stand sowieso schon völlig neben sich.
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JUDITH ROSENBLUTH & NIKOLAJ BLINOW & LAUREL CAVENDISH
14. Mai; gegen 16 Uhr; leeres Klassenzimmer




Schon den ganzen Tag schwirrten Gerüchte von einem Mord durch das Schloss und das trug zu einer positiven Stimmung nicht gerade bei. Viele waren Hysterisch und panisch. Nikolaj wusste nicht recht wie er sich fühlen sollte. Es gab ihm einen Beigeschmack von Unsicherheit, so viel war klar, denn auch wenn er ein Reinblüter war fühlte er sich nun nicht mehr hundertprozentig sicher in den vertrauten Mauern. Da Hogwarts ihm bisher am meisten ans Herz gewachsen war, von allen Orten, an denen er gelebt hatte und er sich hier auch ansonsten wohl fühlte, ging er aber davon aus, dass dieses unsichere Gefühl bald verschwinden würde. Das Gemunkel war ohnehin wirr und zum Teil unverständlich. Noch dazu kam das Gerede, dass die Schule nun schließen würde. Niko wusste, dass er kommen würde solange die Schule offen hatte, egal wie viele Angriffe es gab. Doch er glaubte nicht, dass die Angriffe noch lange weiter gehen würden. Man musste neidlos anerkennen, dass mit Dippet und Dumbledore zwei verdammt kluge Köpfchen diese Schule leiteten und der Blinow war sich sicher, dass sie den Täter ausfindig machen würden. Auch er selber war sich der Tatsache bewusst, dass er unter der Nase der beiden alten Herren den Dreck verdammt gut wegkehren musste, damit nichts an Licht kam. Viel besser als es in seiner Schule in St. Petersburg von Nöten gewesen war. In letzter Zeit hatte es viele Angriffe gegeben und gerade das machte den jungen Slytherin so sicher. Der Täter würde bald unvorsichtig sein und geschnappt werden. Vielleicht war das Mädchen auch schon die Spitze der Dinge gewesen und nun würde es nicht mehr lange dauern.
Das alles spielte für den Blinow nun erst einmal keine Rolle, denn was wäre Hogwarts ohne Schach? Deswegen und weil ein wenig Ablenkung von dem ganzen Gerede nicht schaden konnte, hatte er sich wie immer auf zum Treffen des Clubs gemacht. Seine Schachfiguren trug er bei sich, denn er konnte sich kaum auf fremde verlassen, nicht wahr? Ein Brett brauchte man meistens nicht und so hatte er auch keins dabei. Die Leitung aus Ravenclaw sorgte immer gewissenhaft dafür, dass ausreichend Schachbretter da waren, auch wenn die Hälfte der Leitung aufgrund des Blutstatuses versteinert im Krankenflügel lag. Nikolaj hatte für sich noch nicht herausgefunden ob er darüber trauerte oder nicht, doch in letzter Zeit gingen genügend andere Dinge durch seinen Kopf, die ihn beschäftigten, immerhin war eine Verlobung für ihn arrangiert worden und die Prüfungen rückten immer näher, sodass der Slytherin immer wieder froh war, wenn er seinen Kopf frei kriegen konnte.
Er erreichte schließlich das leere Klassenzimmer, das immer für den Schachclub bereit stand. Es war nicht sonderlich voll, um genau zu sein war es leer. Nur eine einzige Ravenclaw war da und irgendwie überraschte es den Blinow kaum, denn die meisten hatten sich in ihre Gemeinschaftsräume zurück gezogen und viele waren sogar panisch und sahen zu sich bloß nicht in Gefahr zu bringen. Das Empfinden ging offenbar auseinander, denn der Russe schätzte den Schachclub nicht als lebensgefährlich ein. “Guten Abend, Miss Rosenbluth.“ Begrüßte er sie und wunderte sich immer wieder darüber wie ungewohnt ihr Name doch über die Zunge ging, dabei war es bei ihm sicherlich nicht besser. Immerhin konnte im gesamten Schloss außer ihm vermutlich niemand russisch. Na gut. Seine Schwester war der Sprache selbstverständlich ebenfalls mächtig.
Er nickte der jungen Ravenclaw freundlich zu und war erfreut nicht alleine zu sein, denn zu zweit konnte man immerhin schon eine Partie zurecht bekommen. “Ich war nicht sicher, ob heute überhaupt ein Treffen zustande kommen würde, nach diesen beunruhigenden Gerüchten.“ teilte er seine Sorge in bedachtem Tonfall mit, bevor er sich daran machte seine Schachfiguren heraus zu holen und auf einem Brett aufzuspielen, immerhin war er nicht für Smalltalk hier und alles andere schien sie schon in Position gebracht zu haben. Nikolaj stellte die Figuren sehr akkurat auf, als käme es dabei auf Zentimeter und Winkel an.
Er stellte soeben seinen zweiten Turm auf dem Brett ab, als er hinter sich ein eigenartiges Rumpeln hörte. Er drehte sich um und noch in der Bewegung zückte er seinen Zauberstab, misstrauisch wie er war. Doch letztendlich war immer noch niemand da, außer ihm und der Ravenclaw, doch dafür verhielten die Schachfiguren, die sie bereits auf den Brettern platziert hatte, gar nicht normal. Sie sprangen durch den ganzen Raum und ein Schachbrett flog durch die Luft, sodass Niko sich ducken muss. Ein König piekte ihm mit seinem Zepter ins Auge und der Russe hätte vor Schmerzen beinah geflucht, doch er wusste nun einmal was Anstand war, auch als er sich den wilden König aus dem Augen zog. Im nächsten Moment gingen Fackeln aus. Was um Himmels Willen machten diese Figuren? Niko hörte seine eigenen bereits wild Fluchen, denn auch sie waren in Mitteleidenschaft gezogen worden.

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JUDITH ROSENBLUTH & NIKOLAJ BLINOW & LAUREL CAVENDISH
14. Mai; gegen 16 Uhr; leeres Klassenzimmer


Judith versuchte mit mäßigem Erfolg, nicht zusammen zu zucken, als jemand den Raum betrat. Es war einer der Teilnehmer, ein Slytherin, wie sie befürchtet hatte, aber soweit sie Nikolaj Blinow kannte, schätzte sie ihn nicht als direkt gefährlich ein. Sie ärgerte sich ein bisschen über sich selbst, so schreckhaft war sie normalerweise nicht, und auch die Tatsache, dass sie die besten Gründe hatte, schreckhaft zu sein, änderten daran nichts. Sie atmete kurz durch und versuchte ein Lächeln.
„Guten Abend, Mister Blinow“, erwiderte sie seinen Gruß, wobei ihre Zunge bei seinem Nachnamen genauso stolperte wie seine bei ihrem. Als sie auf die Schule gekommen war, hätte sie wahrscheinlich geschworen, dass es keine Nachnamen gab, die schwieriger auszusprechen waren als die englischen – der Unterschied zwischen dem, was geschrieben stand, und dem, was man davon aussprach, hatte sie immer wieder erstaunt – aber nach fast fünf Jahren musste sie zugeben, dass russisch noch ungewohnter war. Vorausgesetzt, es war russisch. Irgendetwas Osteuropäisches jedenfalls, genau wusste sie es nicht.
Während Judith immer noch abwesend ihre Ratte streichelte, brachte der Slytherin zum Ausdruck, was sie auch schon gedacht hatte. Es wäre wohl nicht überraschend gewesen, wenn sich heute niemand hier zum Schachspielen eingefunden hätte, es war sogar möglich, dass sie nur zu zweit waren, bisher, weil die anderen Schüler dachten, der Club fiele aus. Schließlich machte Judith nicht gerade ein Geheimnis aus ihrem Blutstatus und hätte somit die beste Ausrede überhaupt, sich heute zu drücken. Aber sie nahm ihre Aufgabe nun einmal sehr ernst.
Sie schwieg einen Moment um über ihre Antwort nachzudenken. „Ich war auch nicht sicher, ob jemand kommen würde, aber solange es sich nur um Gerüchte handelt und Interesse an diesem Club besteht, sollte man ihn meiner Ansicht nach auch anbieten.“  Und Mr. Blinows Anwesenheit bewies zur Genüge, dass zumindest ein wenig Interesse aller schlechten Nachrichten zum Trotz vorhanden war. Vielleicht war es auch ganz gut, wenn sie ein paar Partien spielten, ein bisschen über Taktiken diskutierten. Ein bisschen Normalität in dem Durcheinander, das sich seit dem ersten Angriff entwickelte.
Sie beobachtete, wie er seine Schachfiguren aufstellte. Genau wie sie, als sie die Bretter verteilt hatte, achtete er penibel auf Abstände und Positionen. Möglicherweise machte er das immer so und sie hatte einfach nie darauf geachtet, doch für einen Moment hatte sie das Gefühl, auch er sei nicht ganz so ruhig wie sonst. Aber das war unwahrscheinlich, schließlich war er doch reinblütig, oder nicht? Warum sollte er sich Gedanken über die Angriffe machen, ihm konnte nichts passieren.
Sie setzte gerade Hannah zu Boden, wenn sie Schach spielen wollte, wollte sie keine Ratte auf dem Schoß haben, die Aufmerksamkeit verlangte, als sie ein merkwürdiges Geräusch hörte. Sie zuckte zusammen, und noch bevor sie irgendetwas  anderes machen konnte, hatte der Slytherin den Zauberstab gezückt und sich umgedreht. Sie konnte jedoch immer noch nicht erkennen, was passierte, also stand sie auf. Und musste feststellen, dass die Schachfiguren, die sie vor wenigen Minuten erst aufgestellt hatte, lebendig geworden waren. Und zwar nicht so lebendig, wie das magische Schachspielen es nun einmal erforderte, nein, sie verhielten sich seltsam. Als plötzlich ein Brett durch die Luft flog, zuckte Judith zusammen. Es kam zwar nicht gerade in ihre Nähe, aber der Reflex, sich zu ducken, war trotzdem vorhanden. Im nächsten Momentwurde  Mr. Blinow von einem König angegriffen.
„Verdammt, was ist das denn?!“, entwich es ihr auf Deutsch. Vielleicht nicht gerade damenhaft, aber dafür der Situation definitiv angemessen. Es gab ihr natürlich niemand eine Antwort, es sei denn, man wollte es als eine Antwort betrachten, dass nun auch sie Ziel eines Angriffes wurde. Ein Springer stürzte durch die Luft auf sie zu, sie bekam gerade noch die Hände vor ihr Gesicht, bevor das Pferd mit ihr kollidierte. Sie versuchte die Figur zu fangen, konnte sie jedoch nicht erwischen. Als der kleine Morgenstern keine unmittelbare Bedrohung mehr für sie war, konnte sie sich kurz umschauen. Ihre drei Schachbretter lagen in verschiedenen Ecken des Raumes, zwei Stühle waren umgefallen, und die Figuren hatten sich im Raum verteilt. Eine kleine Gruppe von Bauern rückte gerade auf dem Fußboden auf sie zu. Sie machte schnell zwei große Schritte zur Seite, bis sie knapp neben Hannah stand, die wütend quietschend in einen Kampf mit einem schwarzen Läufer verwickelt war.
„Was passiert hier?“, fragte sie, diesmal auf Englisch, damit auch die Möglichkeit einer Antwort gegeben war. Gleichzeitig musste sie noch einer fliegenden Dame ausweichen, die am Mauerwerk hinter ihr zerschellte.
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JUDITH ROSENBLUTH & NIKOLAJ BLINOW & LAUREL CAVENDISH
14. Mai; gegen 16 Uhr; leeres Klassenzimmer




Die Ravenclaw begrüßte ihn freundlich und er nahm schon das als Anzeichen, dass heute alles so normal ablaufen würde wie es eben konnte, wenn man bedachte, dass sie nur zwei Leute waren. Vielleicht würde noch jemand dazu kommen, doch es war recht unwahrscheinlich, denn während Nikolaj seine Figuren aufstellte verstrichen die Minuten und wer jetzt noch hier auftauchte, durfte sich gut und gerne als zu spät bezeichnen. Der Russe war trotzdem erfreut zu hören, dass sie dies keinesfalls als Anlass ansah, um den Club nicht stattfinden zu lassen. Immerhin war Schach für ihn sehr wichtig und im Gemeinschaftsraum konnte er nicht immer jemand finden, der eine Partie oder auch zwei mit ihm spielen wollte, denn das Spiel war nicht bei allen verbreitet. “Ich denke auch, dass alltägliche Beschäftigungen den Geist auf positive Weise von den grausamen Ereignissen ablenken.“ Unterstrich er die Vorzüge des Treffens. Immerhin konnten sie nicht alle in eine Starre fallen und erwarten, dass die Dinge sich so überwinden ließen. Das ganze Schloss schien stiller und düsterer geworden zu sein und er wusste nicht recht wessen Ziel es sein konnte Hogwarts so zu entfremden. Er persönlich liebte Hogwarts, wenn es vollgestopft, laut und lebendig war, auch wenn er selber meistens eher ein ruhiger Zeitgenosse war, der seine Stunden auch gerne abseits der Menge verbrachte. Hogwarts hatte Charme, genauso wie es sonst immer war und jemand hatte das fortgenommen. Es war nicht richtig, auch wenn die Schlammblüter Nikolaj eher weniger interessierten, da er kaum Kontakt zu ihnen gehabt hatte.
Viel Zeit zum Denken blieb ihm nicht, als die Figuren vollkommen durchdrehten und er nicht so recht verstand was das sollte. So etwas hatte er noch nie erlebt und Judith offensichtlich auch nicht, denn sie fluchte auf einer fremden Sprache, vermutlich Deutsch. Er war sich sicher, dass ihre Worte wenig schmeichelhaft waren, doch er konnte sie nicht verstehen. Ihr wäre es wohl ähnlich gegangen, wenn er auf das Russische ausgewichen wäre. Er musste einige Mal blinzeln um den Angriff des Königs zu überstehen, war aber so klug seine Arme über den Kopf zu halten, damit ihn die anderen Figuren nicht wieder so empfindlich treffen konnten. Es kam ihm wundersam vor, wie viel Lärm so ein paar Schachfiguren machen konnten. Er hörte einen Tisch zur Seite kippen und ein Regal gab seinen Inhalt auf den Boden. Das war ihm noch nie untergekommen, auch wenn in Hogwarts einige wundersame Dinge passierten und auch dieser Club nicht gerade immer langweilig und wie geplant verlief. Der Blinow wagte einen Blick auf das Chaos, brachte sich ein paar Schritt in Sicherheit und zog dann seinen Zauberstab, doch bei diesem Chaos wusste er im ersten Moment gar nicht so recht womit er anfangen sollte. Es schienen überall Schachfiguren zu sein. “Ich weiß es nicht.“ Antwortet er der Ravenclaw ein wenig überfordert. Sie schien sich nicht recht in Sicherheit bringen zu können, doch er wusste nicht wie er ihr helfen konnte, denn er wurde selber von einem Turm, einem Springer und einer Dame belagert, die nicht sehr friedlich besonnt aussahen. Das alles roch ziemlich nach Manipulation, doch er konnte sich nicht vorstellen, wer sich einen solchen Spaß erlauben würde.
Einige Momente verweilte er hilflos, den Zauberstab erhoben, doch dann kam ihm ein guter Gedanke. Er schwang seinen Zauberstab, formte einen Lähmzauber mit den Lippen und ließ ihn auf die wild gewordenen Schachfiguren los. Augenblicklich kehrte Ruhe ein. Einige Schachfiguren fielen aus der Luft und zerschellten am Boden, aber die meisten anderen blieben einfach wo sie waren und erstarrten. Trotzdem herrschte ein unglaubliches Chaos und der Blinow konnte sich kaum erklären, wie ein paar Schachfiguren das zu Stande bringen konnten. Es würde ihn und Miss Rosenbluth alleine die ganze Zeit kosten um wieder halbwegs aufzuräumen, von Schachspielen konnte nun gar nicht mehr die Rede sein. Vorsichtig stieg über die gelähmten Figuren, betrachtet das Chaos und wandte sich der Ravenclaw zu. “Ist alles in Ordnung mit ihnen, Miss Rosenbluth?“ Erkundigte er sich vorsichtig, während er sein Auge abtastete. Er musste vielleicht in den Krankenflügel, das konnte er nicht genau sagen, jedenfalls fühlte es sich nicht besonders gut an, wenn man das Zepter eines Königs im Auge gehabt hatte. “Was für ein Chaos.“ Sagte er und betrachtet wild durch die Gegend geworfenen Schachbretter, Stühle und Tisch, demolierte Bücher, Regale und abgerissene Fackelhalter. Das hatte ihnen gerade noch gefehlt.
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JUDY & NIKO & LAURY - 14TH OF MAY - AFTERNOON



Mittlerweile war Ciaran, ihr Schatten von einem Slytherin, unlängst aus dem Krankenflügel entlassen worden. So zog er durchaus seine Runden wieder durch ihren Alltag, begrüßte sie nun noch schlechter gelaunt und die Tatsache, dass er wusste, dass sie es getan hatte, nur leider keinen beweis hatte, spannte die Nerven der Dunkelhaarigen bis zum zerreißen. Nur eine falsche Geste, ein falscher Schritt und der Rosier würde sie zerquetschen wie eine Marke unter seinen teuren Schuhen.
Dennoch konnte die Cavendish nicht behaupten, dass ihr Leben nur schlechte Seiten trug. Tatsächlich zerrte sie immer noch von den schöneren Stunden des Gesellschaftstanzes und dachte nur allzu gern an McLaggen zurück. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht, dachte sie an das seine und merkte, wie sehr es ihr gefallen hatte nicht wie ein Stein hin und her geschoben zu werden. Es war ein kleiner Lichtblick gegenüber dem gewaltigen Dunkel, dass ihr entgegenstand. Dennoch konnte kaum etwas ihre Freude lindern wenn sie darüber nachdachte und in den süßen Erinnerung schwelgte, denn genau jene vermochte ihr keiner zu nehmen.
Doch der heutige Freitag zeigte ihr nur erneut, von welcher Schwärze die Welt tatsächlich erfüllt war. Kurz nach dem Mittagessen machten die Gerüchte schon den Umlauf, erreichten auch ihr Ohr und sie wurde das Gefühl nicht los, dass in den stillen Worten mehr Wahrheit steckte als sie zu glauben bereit wollte. Sicherlich hatte es keinen Slytherin bisher erwischt und die engsten bekannten aus ihrem Freundschaftskreis waren verschont geblieben von Versteinerungen, dennoch würden der jungen Frau schönere Dinge einfallen als ein weiters Opfer beklagen zu müssen. Schlimmer noch, wenn man den Stimmen glauben konnte, dann handelte es sich in diesem Fall nicht nur um eine Versteinerung, sondern schlimmer noch um einen Toten. Alle redeten über den Namen der jungen Myrtle als wäre all das schon öffentlich bekannt. Dabei hatte niemand etwas gesagt. Gerade sie hätte es doch dann gewusst! Aber nein, alles was man hörte war Gemunkel und dieses würde sicherlich ein Ende finden, wenn die junge Schülerin aus ihrem Versteck kroch und alle sahen, dass sie quicklebendig war.
Dennoch ließ dieser Gedanke die Slytherin nicht locker. Keinen Bissen hatte sie hinunter bekommen, derweil die anderen Tratschtanten bereits alle Geschichten auseinander nahmen. Das feurige Gemüt der Britin wurde somit durchaus auf die Probe gestellt und so ließ sie ihr Essen umangerührt, entschuldigte sich und meinte nur, dass solcherlei morbide Konversationen ihr den Appetit genommen hatten. Als sie sah wie der Rosier aufstehen wollte, winkte sie nur schnell ab und deutete auf den Apparat in ihrer Handtasche. ,,Ich muss noch etwas für die Schülerzeitung erledigen, ich sehe dich im Gemeinschaftsraum’’, warf sie ein, nahm die Tasche und stolzierte, nicht weniger gefasst als sonst, aus der großen Halle.
Zwar hätte die Fotografie vom Schachclub noch Zeit gehabt, doch die Ablenkung würde ihr gut tun. So nahm sie sich die Zeit die richtige Linse aufzuschrauben und bereits alles vorzubereiten, ehe sie langsam in Richtung vierter Stock schritt. Wenn sie Glück hatte, dann würden trotz der finstren Nachrichten ein paar der Mitglieder sich dort aufhalten und sie könnte einen guten Schuss bekommen. Wenn nicht, dann würde sie eben ihre Zeit verschwenden und zurückkehren in den Gemeinschaftsraum.

Die Treppen hinaufeilend, erwischte sie sich dabei, wie sie erneut darüber nachdachte, einfach den nächstbesten Weg hinaus zu wählen. Ein wenig die frische Luft genießen, ihren Kopf freiesten lassen vom Wind, der draußen tobte. Das würde ihr gefallen, wahrscheinlich sogar mehr als ein Foto anzufertigen. Dennoch sollte man wohl sich mit dem zufriedenstellen was man bekam, weswegen sie trotz des lauten Getöses aus dem Raum, die Tür nach einem kaum hörbaren Klopfen öffnete und dem puren Chaos entgegen blickte.
Die Augen geweitet, den Mund halb geöffnet, stand sie da und betrachtete sowohl Judith als auch Nikolaj. Dann sah sie zum Boden, zu den kaputten Schachfiguren, den Büchern und all der Unordnung. ,,Heiliger’’, flüsterte sie und erinnerte sich, dass sie auf dem Weg hierher merkwürdige Geräusche gehört hatte. Doch was war passiert? In den Gesichtern ihrer Mitschüler lagen keine Antworten, höchstens genauso viele Fragezeichen, wie in ihrem eigenen Gesicht. Bis sich wieder eine echte Regung auf ihrem Gesicht zeigte, ein Lächeln auf den Lippen und den spitzbübischen Ausdruck in den Augen, zückte sie die Kamera. ,,Bitte recht freundlich’’, entgegnete sie bloß, ehe der Blitz für einen kurzen Moment den Raum erhellte und die Fotografie einfing.
,,Die Anderen werden es lieben. Hätte ich gewusst, dass Schach so aufregend sein kann, wäre ich auch Mitglied geworden. Mit dem Bild werden sie euch den Schachclub niederrennen und darum betteln, dass ihr sie mitmachen lasst. Ich brauche jetzt nur noch die Geschichte dahinter’’, sagte sie recht trocken und trat über ein kaputtes Regal hinweg.
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JUDITH ROSENBLUTH & NIKOLAJ BLINOW & LAUREL CAVENDISH
14. Mai; gegen 16 Uhr; leeres Klassenzimmer


Mr. Blinow schien ganz Judiths Meinung zu sein, schließlich hatte sie auch schon daran gedacht, dass Normalität gerade in Situationen, die ein bisschen durcheinander geraten waren, sehr angenehm sein konnte. „Das denke ich auch“, stimmte sie ihm also zu. Wenn sie sich auf das Schachspiel konzentrieren musste, und das musste sie bei Mr. Blinow wirklich, wenn sie das Recht in Erinnerung hatte, konnte sie nicht über Versteinerungen oder angebliche Morde nachgrübeln. Oder darüber, dass ihr Blut genauso ‚unrein‘ war wie das der anderen Opfer.
Im nächsten Moment war dann auch jeder Gedanke daran verschwunden, allerdings aus deutlich unerfreulicheren Gründen als einer Partie Schach. Die Schachfiguren drehten durch und innerhalb weniger Sekunden war der Raum ein einziges Chaos. Judith konnte sich zwar gegen die Angriffe einigermaßen verteidigen und auch noch fluchen, aber zu mehr war sie nicht in der Lage. Sie hatte keine Ahnung, wie sie die Schachfiguren stoppen sollte, sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte.
Eine Dame zerschellte hinter ihr, eine andere Figur hatte es jetzt auf ihren unteren Rücken abgesehen, wo sie sie nicht erreichen konnte. Sie drehte sich weg, doch die Figur folgte ihr. Ein Bauer, möglicherweise, da sie wiederholt ein Stechen spürte, dass von einem der kleinen Schwerter herrühren konnte.
Mr. Blinow hatte nicht mehr Ahnung als sie, wenn man seinen Worten glaubte. Und in Anbetracht der Tatsache, dass er Leidtragender des ersten Angriffs geworden war, tat sie das. Heimlich hatte sie gehofft, dass so etwas gelegentlich passieren konnte, wenn Schachfiguren zu alt wurden vielleicht oder wenn sie zu lange unbewegt auf ihren Brettern gelassen wurden oder irgendetwas anderes für das es eine ganz einfach Erklärung gab, die jedem geläufig war, der mit Magie aufgewachsen war. Aber wenn Mr. Blinow, der reinblütige Slytherin, auch nicht wusste, womit sie es hier zu tun hatten, lag ihre Unwissenheit nicht an ihrem Blutstatus, was gleichermaßen gut zu wissen und beunruhigend war.
Genauso plötzlich wie der Spuk begonnen hatte, war er auch wieder vorbei. Es dauerte einen Moment, bis Judith bemerkte, dass Mr. Blinow einen Lähmzauber gewirkt haben musste. Eine gute Idee, auf die sie in zehn kalten Wintern nicht gekommen wäre. Das war der wohl größte Unterschied zwischen Muggelstämmigen und den Schülern, die Magie von Kindheit an kannten. Letztere versuchten in jeder Situation den passenden Zauber zu finden. Judith hatte noch nicht einmal nach ihren Zauberstab gegriffen. Selbst nach fünf Jahren war ihr der Gebrauch von Magie, die Selbstverständlichkeit von Magie, noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen und sie versucht noch immer, Probleme ohne sie zu lösen. Oder ihre Ohnmacht zu akzeptieren, wenn ein simpler Zauber ihr helfen könnte.
„ Danke.“ Judith atmete auf, als sich abzeichnete, dass die gelähmten Schachfiguren sich nicht wieder erheben würden. Mr. Blinow kam auf sie zu. Er fragte, ob alles in Ordnung sei, was ihr ein kurzes, leicht hysterisch anmutendes Lachen entrang. „Das sollte ich wohl eher Sie fragen“, antwortete sie und gestikulierte zu seinem Auge. Ihr Rücken tat zwar weh, aber sie war sich ziemlich sicher, dass nichts Schlimmes passiert war. Wenn überhaupt hatte ihr Hemd jetzt ein oder zwei Blutfleckchen, aber sie glaubte nicht, dass die Wunden noch groß bluteten. Vorausgesetzt, dass kleine Schwert war überhaupt so weit durch ihre Kleidung und Haut gedrungen, um sie ernsthaft zu verletzen. Ein Schwert im Auge war dagegen eine andere Sache. „Vielleicht sollten Sie in den Krankenflügel gehen…“
Erst als Mr. Blinow sich umsah, bemerkte auch Judith das volle Ausmaß der Zerstörung. Es war beinahe irreal, dass ein paar Dutzend kleiner Keramikfiguren ein solches Durcheinander anrichten konnten. Es würde eine Ewigkeit dauern, alles wieder in Ordnung zu bringen.

Das nächste, was Judith mitbekam, war eine andere Stimme von der Tür und dann ein Blitz. Erschreckt wirbelte sie herum, war das, was immer die anderen Muggelstämmigen versteinert hatte? Dann jedoch erkannte sie Laurel Cavendish, die Fotografin der Schülerzeitung. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie hatte zwar gewusst, dass die Slytherin irgendwann vorbei kommen wollte, um ein oder zwei Fotos vom Schachclub aufzunehmen, aber warum denn gerade heute?
Der trockene Kommentar, den das Mädchen zu dem Chaos in die Runde warf, gab Judith den Rest. Sie ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen und fing leise an zu weinen. Es war einfach alles zu viel für sie. Normalerweise war sie stolz darauf, dass sie selten weinte und nicht leicht aus dem Konzept zu bringen war, aber das hier war mehr, als sie gerade verkraften konnte. Muggelstämmige wurden versteinert, darunter Jimmy, der mit ihr den Club leitete, dann ging das Gerücht um, eine Muggelstämmige sein gestorben, dann spielten die Schachfiguren verrückt, verwüsteten den Raum und verletzten Mr. Blinow und sie selbst, und dann kam auch noch die Fotografin und machte dumme Sprüche. Zugegeben, Ms. Cavendish hatte sich wahrscheinlich nichts Böses dabei gedacht, sondern nur die Stimmung aufheitern wollen, doch Judiths Stimmung war bereits nicht mehr zu retten.
Sie vergrub das Gesicht in den Händen und schloss die Augen, fest entschlossen, sie erst wieder zu öffnen, wenn das Durcheinander, das nicht nur in diesem Raum, sondern im ganzen Schloss herrschte, vorbei war.
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JUDITH ROSENBLUTH & NIKOLAJ BLINOW & LAUREL CAVENDISH
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Ein Moment erschien die Ruhe fast trügerisch und er hatte Sorge, dass die Figuren im nächsten Moment wieder loslegen würden, doch nichts dergleichen passierte. Alle Figuren blieben an ihrem Platz und waren sogar noch bewegungsunfähiger als in ihrem normalen Zustand. Alleine böse Blicke konnten sie durch den Raum senden. Diese konnten dem Blinow genauso wenig anhaben wie der jungen Ravenclaw, die sich auch im Raum befand. Wäre sie nicht so überfordert und überrascht gewesen, hätte er gedacht, dass sie dafür zuständig war, denn es roch ganz schön nach Manipulation. Nikolaj gefiel das gar nicht, denn der Schachclub war immer eine ruhige Veranstaltung und wenn es nach ihm ging sollte das auch so blieben. Schach konnte man in einer konzentrierten Atmosphäre sicher am besten genießen.
Die Rosenbluth zeigte sich mitfühlend und zugleich glücklicherweise unverletzt. Hätte er sie nun in den Krankenflügel tragen müssen, wäre das sicherlich auch kein krönender Abschluss für diesen Abend gewesen. Natürlich hatte er selber sich am Auge eine leichte Verletzung zugezogen, doch soweit er es einschätzen konnte, war eine Behandlung nicht dringlich. “Ich denke zuerst sollten wir alles ein wenig in Ordnung bringen, danach kann ich den Krankenflügel immer noch aufsuchen.“ und als er sich umsah entwich ihm ein Seufzer, denn es war sehr chaotisch und alles lag durcheinander. Es gab sicherlich einige nützliche Zauber, die das ganze wieder etwas in Ordnung bringen konnten, aber er war nicht so geübt in Aufräummagie, dass er alles mit einem Schwung des Zauberstabs wieder in Ordnung bringen konnte. Es benötigte sicherlich einiges mehr an Zeit, denn Miss Rosenbluth besuchte nun keine höhere Klassenstufe als er und konnte so nur ähnlich ungeübt mit solchen Dingen sein.  Gerade kam ihm noch der Gedanken, dass sie die Ereignisse wohl mit einem Lehrer besprechen mussten. Es sollte Licht ins Dunkel gebracht werden, wer dafür verantwortlich war und das konnte ein Lehrer sicherlich viel besser und außerdem war es wohl von Nöten zu erklären, dass diese Chaos und dieser Lärm eine eigenartige Quelle besaßen. Glücklicherweise konnten Judith und er sich gegenseitig die Unschuld bezeugen. Eben deswegen wandte er sich zu der jüngeren Mitschülerin und wollte mit ihr besprechen ob man erst den Lehrkörper hinzuziehen sollte oder die Aufräumarbeiten vorziehen sollte.
Nikolaj kam nicht dazu ihr diese Frage zu stellen, denn eine dritte Person betrat den Raum und machte gleich darauf auch noch ein Foto von alle dem. Er drehte sich herum und stellte erleichtert fest, dass es sich um Laurel Cavendish handelte und er sich keine Sorgen machen musste, dass jemand noch mehr Aufruhe verursachen wollte, denn er traute Laurel über den Weg. Das war sie wohl den meisten in diesem Schloss voraus. Zugegebenermaßen empfand er den Zeitpunkt nicht als optimal um Fotos zu schießen und kluge Sprüche zu reißen, doch darüber konnte er hinweg sehen. “Laurel“ Machte er seiner Überraschung trotzdem Luft und erinnerte sich direkt an ihr letztes Treffen, das unter ganz andere Umständen stattgefunden hatte. Dies kam hier sicherlich nicht zur Sprache, denn es war eine private Angelegenheit und die Anwesenheit von Miss Rosenbluth musste durchaus Beachtung finden, wenn es um die Auswahl der Themen ging. Außerdem erachtet der Russe das Chaos mit den Schachfiguren momentan als wichtiger. “Du solltest uns lieber helfen aufzuräumen, als Fotos zu machen.“ Sagte er mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, denn Hilfe beim Aufräumen konnten sie ganz sicherlich gut gebrauchen. Er stellte es hingegen eher in Frage, dass sie einen großen Ansturm an Club Interessenten benötigten. Die meisten davon waren dann ohnehin nicht am Schach interessiert und das würde die Vorzüge des Clubs doch verringern, jedenfalls im Empfinden des Blinows. Er liebte es eben sich hier mit ähnlich ambitionierten Spielern zu treffen und zu messen und so konnte er es nicht gutheißen, wenn dieser Spaß durch unkonzentrierte und alberne Gegner zerstört wurde.
Er vermochte es kaum dazu Stellung zu nehmen, denn die Rosenbluth lenkte ihn sichtlich ab. Sie hatte das Gesicht in den Händen vergraben und der Slytherin konnte sich nun denken, dass sie weinte. Das überforderte ihn doch, denn selten weinten Mädchen in seiner Umgebung und vor allem nicht solche, die er kaum kannte. Er hatte nie recht gelernt wie man darauf geeignet einging und in diesem Fall konnte er nicht einmal so recht die Ursache ausmachen. Gut er musste auch eine Träne wegblinzeln, aber das lag daran, dass er eine Sachfigur im Auge gehabt hatte. Davon konnte bei der Ravenclaw gar nicht die Rede sein. Hilflos blickte er zu der Cavendish.  Sein Blick war schon fast flehend. Sie sollte doch bitte etwas tun, denn ihm fiel beim besten Willen nichts ein was er unternehmen konnte! Er biss sich auf die Lippe, rieb sein Auge und blieb ratlos stehen wo er eben stand. Etwas Besseres fiel ihm nicht ein, denn die Gefühlswelt von Miss Rosenbluth konnte er nicht im Geringsten ergründen.
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JUDY & NIKO & LAURY - 14TH OF MAY - AFTERNOON


Laurel hatte wohl mit vielen Reaktionen auf ihren Humor gerechnet aber diese war nicht darunter gewesen. Das Lächeln verschwand von ihren Lippen, mit einem winzigen Wisch und zurück blieb nur ein kurz offen stehender Mund, derweil sie von Judith zu Nikolaj sah. Während dieser eben noch genauso gelächelt hatte wie sie, war auch ihm das scheinbar nun verloren gegangen. Stattdessen betrachtete er die Slytherin beinahe mit flehenden Blick, ehe sie Beide wieder zu der Jüngeren sahen.
Zu gerne hätte die Dunkelhaarige sich nun einfach in Luft aufgelöst. Es gab viele Dinge, mit denen sie mit Leichtigkeit umgehen konnte, weinende Mitschüler hatten noch nie dazu gehört. Zugegeben waren ihre meisten Freundinnen auch eher unterkühlt und würden vieles tun, bevor sie tatsächlich eine Träne opfern würden. Eines der wenigen Attribute, die sie wirklich am Schlangenhaus schätzte, dass sie nun seit Jahren als Zuhause empfand.
Vorsichtig trat sie auf die Ravenclaw zu, legte die Kamera auf den Tisch und suchte nach Worten. Jetzt, in diesem Augenblick erinnerte Judith sie viel mehr an ihre Cousine. Vielleicht war es eine Eigenschaft, die Schüler dieses Hauses mit sich brachten. Denn wenn sie so darüber nachdachte, hatten sie und Mavis selten solche Gefühlsregungen gezeigt. Da sah es bei der Ravenclaw anders aus.

Aber die Cavendish wäre nicht sie selbst gewesen, wenn sie nicht diesen frostigen Blick gehabt hätte, diese eingefrorene Mimik, die sie aus den Modemagazinen aller Welt entnommen hatte. Frau von Welt zeigte ihre Gefühle nicht einfach auf der Straße, das war etwas, dass sie gefälligst nur für sich tat, wenn niemand hinsah und vor allem wenn kein Mann dabei war. Es galt eine Stärke zu zeigen, die sonst kaum eine von ihnen wirklich beherrschte. Es ging um das Auftreten und das Bild was man abgab. Alles eine Sache des Auftritts.
Vorsichtig nahm sie sich einen Stuhl, setzte sich wortlos neben Judith und räusperte sich leise. ,,Judith?’’, flüsterte sie, viel mehr um sicherzugehen, ob die Andere sie überhaupt hören würde. Keinen Atem unnötig verschwenden. Am Ende würde man sie gar nicht hören und alles wäre für die Katz. Hoffentlich weinte sie nicht wegen der Fotografie. Das war scheinbar das Aufregendste was jemals in diesem Schachclub passiert war und würde ein paar Andere Schüler mit Sicherheit überzeugen, dass dies hier weitaus mehr war als nur schnödes taktieren. Darum ging es doch! Ums Image.
Das musste doch selbst die Andere verstehen, nicht wahr?
Vorsichtig strich die Britin ihren Rock glatt, versuchte Nikolaj zu ignorieren und so zu tun, als wäre seine Nähe nicht wichtiger als die jedes Anderen. Das ihr in Wirklichkeit das Herz bis zum Hals schlug, wenn sie ihn sah und ihre Finger spitzen kribbelten, wenn er da war, wollte sie nicht zugeben. Genauso wenig, wie sie sich das Lächeln eingestehen wollte, das auf ihre Züge trat, wenn er sie ansah. Das alles war nichts, sagte sie sich und zwang sich zur allgemeinen Ordnung zurückzukehren.
,,Es tut mir Leid, ich hatte nur einen Scherz machen wollen. Verzeih, ich wusste nicht, dass du unter solchem Druck stehst’’, begann sie und betrachtete das Gesicht der Jüngeren nachdenklich. Nur kurz betrachtete sie den Blinow, der nicht unweit von ihr entfernt stand. Als wenn sie wusste, was nun in einem solchen Moment getan werden musste. Sie hatte genauso wenig Ahnung wie er. ,,Ich denke, wir sollten alle zusammen das Chaos bereinigen und dann einen vernünftigen Schuss hinbekommen. Ich bin sicher Mr. Blinow würde sich freuen, wenn er nicht allein den Schachfiguren Herr werden muss’’, erklärte sie und wusste wohl, dass es so wenig Trost spendete als wenn sie gar nichts gesagt hatte. Aber so lange sie nicht wusste, was genau nicht stimmte, konnte sie es nicht besser. Zum Fragen war sie allerdings nicht mutig genug und beließ es lieber bei ihren an sich leeren Worten. Notfalls müsste Niko alles richten. Ein kurzer Blick zu dem Schüler des Schlangenhauses und dann wieder zu der Raveneclaw. Natürlich bezweifelte sie, dass er es konnte.
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JUDITH ROSENBLUTH & NIKOLAJ BLINOW & LAUREL CAVENDISH
14. Mai; gegen 16 Uhr; leeres Klassenzimmer


Anscheinend war also trotz des Chaos nichts Ernsthaftes passiert. Denn wenn Mr. Blinow es für dringender hielt, den Raum wieder in die Nähe seines Ursprungszustands zu bringen, anstatt sein Auge im Krankenflügel kontrollieren zu lassen, konnte es so schlimm nicht sein. Das erleichterte Judith ein bisschen. Sie schaute sich um, um das Ausmaß der Zerstörung einigermaßen einschätzen zu können. Es war gewaltig. „In Ordnung. Ja. Das… das ist wahrscheinlich eine gute Idee. Aber gehen Sie danach in den Krankenflügel, bitte.“ Sie wollte sich nicht hinterher vorwerfen müssen, dass sie ihn nicht direkt weg geschickt hatte, wenn am Ende doch etwas mit seinem Auge war.
Judiths Nerven waren sowieso schon angegriffen und nun machte sich das auch bemerkbar. Sie wusste zwar, dass sie jetzt eigentlich ihren Zauberstab zücken sollte und anfangen, das bisschen an Ordnungszauber, das sie schon beherrscht, anzuwenden, aber irgendwie konnte sie sich nicht dazu durchringen, sich zu bewegen. Sie stand einfach da, mitten im Raum, und fragte sich, was genau hier eigentlich passiert war. Bisher hatten ihre Schachfiguren noch nie solchen Unfug gemacht. Noch nie. Sie hätte wirklich gerne gewusst, wie das hatte passieren konnte. Den Gedanken, dass vielleicht jemand in böser Absicht die Figuren mit einem Zauber belegt hatte oder von außerhalb einen Zauber gewirkt hatte, wollte sie eigentlich nicht wirklich weiter verfolgen. Sie wollte sich nicht neben allem anderen auch noch darum sorgen müssen, ob es jemand auf den Schachclub oder gar sie persönlich abgesehen hatte. Zu einem Angriff direkt auf den Schachclub würde zudem passen, dass ja Jimmy schon versteinert worden war, womit indirekt auch der Club betroffen war. Obwohl, fiel ihr in diesem Moment ein, vielleicht war der Angriff doch gar nicht gegen ihn gerichtet. Immerhin war es Mr. Blinow gewesen, auf den die erste Schachfigur zugestürzt war. Vielleicht hatte das alles nichts mit ihr oder dem Club zu tun, sondern es hatte ein anderer Slytherin oder Gryffindor noch ein Hühnchen mit dem anderen Anwesenden zu rupfen. Auch wenn das ihm gegenüber vielleicht nicht ganz gerecht war, hoffte sie beinahe, dass es so war. Es würde sie beruhigen, zu wissen, dass nicht sie das Ziel gewesen war. Sie könnte sich auch eigentlich nicht erklären, warum ihr jemand etwas Böses wollen sollte. Wenn man sie wie die anderen Muggelstämmigen versteinert hätte, das hätte sie ja auf eine obskure Art noch nachvollziehen können, aber sie konnte sich nicht daran erinnern, gehört zu haben, dass die anderen Opfer vorher irgendwelchen seltsamen Angriffen ausgesetzt worden waren.

Ms. Cavendishs Auftauchen und ihr trockener Humor, der Judith normalerweise wohl durchaus zumindest ein Schmunzeln entlockt hätte, waren in diesem Moment zu viel für sie und die aufgestaute Angst und erste Anflüge von Verzweiflung bahnten sich einen Weg nach draußen. Sie hörte zwar, dass Mr. Blinow irgendwas sagte, doch die Bedeutung kam bei ihr nicht an. Dafür war sie gerade viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Mit sich selbst und der langen Reihe von „Was wäre, wenn…?“ und „Wie kann es sein, dass…?“ die ihr durch den Kopf schwirrten. Dabei hatte sie sich eigentlich fest vorgenommen gehabt, nicht darüber nachzugrübeln. Nicht daran zu denken, was wäre, wenn sie auf einmal versteinert oder gar getötet würde. Was es ihren Eltern für Kummer machen würde, wenn sie wüssten, dass ihre Tochter, nachdem sie ein Land verlassen hatten, in dem sie ihrer Religion wegen verachtet und drangsaliert wurden, in eine Gesellschaft geraten war, in der man sie wegen ihrer Abstammung als einen Menschen zweiter Klasse behandelte. Wie es sein konnte, dass Menschen immer einen Grund fanden, andere auszugrenzen.
Es überraschte sie, als sie plötzlich Ms. Cavendishs Stimme leise neben sich hörte. Irgendwie hatte sie schon wieder ausgeblendet, dass sie nicht allein im Raum war und es hätte sie auch nicht gewundert, wenn die beiden Slytherins begonnen hätten, um sie herum aufzuräumen und einfach abzuwarten, bis sie sich von selbst beruhigte. Das Haus der Schlangen war nun einmal nicht gerade für die sozialen Qualitäten bekannt – eher für einen eklatanten Mangel dieser. Als sich die Fotografin dann auch noch bei ihr entschuldigte, hätte sie an einem anderen Tag vermutlich drei rote Kreuze in den Kalender gemacht. Sie kam zwar für eine muggelstämmige Ravenclaw verhältnismäig gut mit den Slytherins zurecht, es gab zumindest so gut wie nie offene Anfeindungen , aber dass sie von einer Schlange eine Entschuldigung bekommen hätte, hatte sie auch noch nicht erlebt. Dieses etwas surreale Element der Situation brachte sie langsam wieder zurück. Sie hatte zwar immer noch beide Hände vor dem Gesicht, doch die Tränen versiegten langsam. „Ist schon in Ordnung“, murmelte sie. Vielleicht war es hörbar, vielleicht auch nicht. Sie atmete ein, zwei Mal tief durch um sich zu beruhigen. Es war weder ihr noch den anderen geholfen, wenn sie hier einen Nervenzusammenbruch hatte. Wobei sich ‚die anderen‘ in diesem Fall sowohl auf die anwesenden Slytherins als auch auf ihre versteinerten Mit-Muggelstämmigen beziehen konnte. Als sie also nun daran erinnert wurde, dass der Raum noch immer aussah, als wäre eine Bombe explodiert, gab sie ihr bestes, ihre Fassung zurück zu gewinnen. Sie fuhr sich mit den Händen durch die Haare, bevor die ein Taschentuch hervor holte, sich die Augen abtupfte und die Nase putzte. Dann wandte sie sich Ms. Cavendish zu. „Sie haben Recht.“ Ihr Blick huschte von der Fotografin zu Mr. Blinow, der aussah, als wäre er mit dieser Situation stärker überfordert als mit den Schachfiguren, und zurück. „Entschuldigung. Es waren ein paar harte Wochen für uns Muggelstämmige.“ In dem Moment, da sie ausgesprochen hatte, verfluchte sie sich schon dafür, die beiden noch einmal explizit darauf hingewiesen zu haben, dass sie ‚unreines‘ Blut hatte, aber sie hatte das Gefühl gehabt, den Beiden eine Erklärung für ihr Verhalten schuldig zu sein.
Sie steckte das Taschentuch wieder weg, stand auf und strich den Rock glatt. Einzig die Tatsache, dass sie die Bewegung unnötiger Weise noch dreimal wiederholte, zeigte, dass sie immer noch ein wenig neben sich stand. Dennoch gab sie sich Mühe, ihre Schwäche durch neue Energie wett zu machen. Sie griff nun endlich nach ihrem Zauberstab und sah sich noch einmal um. „Womit fangen wir am besten an?“
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JUDITH ROSENBLUTH & NIKOLAJ BLINOW & LAUREL CAVENDISH
14. Mai; gegen 16 Uhr; leeres Klassenzimmer




Er war nicht scharf darauf in den Krankenflügel zu gehen, aber er nickte trotzdem pflichtbewusst, um der Ravenclaw zuzusichern, dass er sich später noch um seine Gesundheit kümmerte. Nikolaj wäre auch kaum als Gentleman zu bezeichnen gewesen, wenn er sich verkrümelt hätte. Sie war noch nicht ganz so sicher im Umgang mit Magie, da sie eine niedrigere Klassenstufe besuchte und ihr Partner war zurzeit nicht abkömmlich. So gehörte es sich für ihn, ihr etwas zur Seite zu stehen und die Arbeit und das Aufräumen schnell hinter sich zu bringen.
Im Grunde freute er sich sehr Laurel zu sehen, denn er hatte keinen Grund sich nicht zu freuen. Erst diese Woche waren sie sich deutlich näher gekommen und sie schien ihm etwas in seinem Leben zu schenken was vorher nicht dort gewesen war. So war es wohl auch sein Fehler, dass er sie zuerst duzte, obwohl die Ravenclaw dabei war. Selten unterliefen dem so gut erzogenen Russen solche Fehler und er hoffte, dass es nicht weiter auffallen würde. Für ihn schien es schwer zu sein die ungekannte Vertrautheit einfach wieder zu verwerfen. Ein unbedachter Moment jedoch konnte ihn viel kosten. So durfte er von großem Glück sprechen, dass nur die aufgewühlte Judith hier war, die wenig Chancen hatte zu verstehen was hier wirklich passierte, denn sie kannte den Blinow doch kaum. Außerdem würde ihr Wort bei seinen Eltern kein Gewicht haben. Sie war eine Muggelstämmige und damit blieben ihre Worte unwichtig für die russischen Reinblüter. Das war die traurige Wahrheit dieser Welt. Sie konnte sogar Fakten und Beweise sammeln, die Augen der reichen und schönen würden ihr gegenüber verschlossen bleiben. Ihr Pfad würde auch nach Hogwarts steinig bleiben und für Nikolaj war es in diesem Moment als könnte er diesen Weg deutlich vor sich gezeichnet sehen. Doch man konnte nicht sagen, dass er so etwas wie Mitleid empfand. Es war das nüchterne wahrnehmen der Realität und er konnte nicht einmal sagen, dass er irgendetwas Bestimmtes empfand, denn wo ihre Schwäche lag, da lag seine Stärke. Er wusste, dass man nur auf den ausgerollten, roten Teppichen dieser Welt gehen konnte, wenn es jemand gab, der diesen Teppich auch knüpfte, ohne dafür rechtens entlohnt zu werden. In seiner Welt waren es die Muggelstämmigen. Er hatte nichts gegen sie, er redete mit ihnen, wenn es dazu kam, aber er wusste früher oder später mussten sie die Last tragen, die er abgab. Es war der logische Schluss, ein einfacher Kreislauf. So würde er auch keine Sekunde zögern, um sie als unglaubwürdig darzustellen, wenn sie der Sache zwischen ihm und Laurel auf die Schliche kam. Der Blinow machte sich da allerdings weniger Sorgen.
Die junge Ravenclaw begann zu weinen und war so mit allem beschäftigt, aber nicht mit seinem Liebesleben. Das war auf der einen Seite sehr gut und auf der anderen auch sehr schlecht, denn er wusste nicht wie er mit den plötzlichen Tränen umgehen sollte. Auch Laurel schien einen unglaublich langen Moment lang in Schweigen zu versinken. Dann rettet ihn die Cavendish mit einigen Worten. Sie sah dabei auch nicht glücklich aus, doch Judiths Reaktion bestätigte, dass sie ihren Job nicht schlecht gemacht hatte. Er wäre so schnell nicht auf die richtigen Worte gekommen, um der Fünftklässlerin eine leise Entschuldigung zu entlocken. Er brachte seine Mitschüler recht selten zum Weinen und wenn es dann einmal zutraf war es meistens auch gezielt gewesen. Dadurch ergab sich selten der Moment des Tröstens. Seine Analgene waren also eben so schlecht wie seine Erfahrung.  Vielleicht klangen seine nächsten Worte auch deswegen ein wenig steif und einstudiert. “Es sind schwere Zeiten für alle in Hogwarts, Miss Rosenbluth“ auch für die Muggelstämmigen. Seine Worte klangen weniger vorwurfsvoll, als mehr nach einer Bestätigung. Sie mochte nicht besonders geschickt angebracht worden sein, doch wenn man sich etwas Mühe gab, konnte man erkennen, dass er ihr Recht gab und vielleicht mindestens einen Daumennagel weit mit ihr mitfühlte. Dieser Tage war es in Hogwarts nicht zu übersehen, dass ein tiefer Eingriff stattfand. Niemand konnte ganz gutheißen was der Erbe tat. Alleine im Schachkurs waren die Einbußen groß. Er mochte sich nie mit Jimmy Heather beschäftigt haben, doch der Rest des Clubs war lange nicht mehr derselbe seitdem Jimmy zu Stein erstarrt war. Überall wo man hinging bemerkte man die Angst und den Schrecken. Hogwarts war nicht mehr der gleiche Ort. Es war nicht richtig die Muggelstämmigen zu beseitigen, denn so viele halten Leichen im Keller und waren nicht von ganz reinem Blut. Die Panik wurde groß und außerdem musste jedes Reinblut doch wissen, dass die Existenz von Muggelstämmigen im geringen Maß förderlich war. Es musste immer noch jemand geben nachdem man treten konnte, wenn man oben gehen wollte. Doch der Blinow hätte so etwas sicherlich niemals zu der jungen Ravenclaw gesagt und ihre Stimmung wäre dadurch kaum besser geworden.
Er war fast schon dankbar, dass er sich einer richtigen Aufgabe zuwenden konnte. Das Aufräumen schien ihm eine willkommene Abwechslung von seinen wirren Gedanken. Dazu kam die Last, die seit gestern immer noch auf seinen Schultern lag, als er das Mädchen im Gang getroffen hatte. Sofort war Nikolaj klar gewesen, dass sie sterben würde und heute schon war sie Tod. Es war kein gutes Gefühl und es ließ sich einfach nicht abschütteln. Er presste die Lippen einen Moment aufeinander und bahnte sich dann den Weg durch die Unordnung zu dem zerstörten regal in dem die meisten Gegenstände, die nun wirr herumlagen, vorher ihre beheimatet waren.
“Ich werde zuerst einmal das Regal reagieren und dann sollten wir den Rest so schnell wie möglich zusammenlegen und am besten hinter uns absperren, damit diese Figuren uns auch bloß nicht verfolgen“ sagte er und in diesem Fall fiel es ihm so unglaublich viel leichter den Ton anzugeben, denn es waren sachliche Dinge, die sein Hirn einfach und gut verstand. Diese ganzen Emotionen machte ihn taub, er wusste nicht recht wie er damit umgehen sollte und die meisten Dinge prallten einfach an ihm ab, als wären sie nur ein kleiner Wimperschlage, den man ungeschehen machen konnte. Er hob seinen Zauberstab und dirigierte die Bretter in ihre ursprüngliche Position zurück, sodass es mit dem Aufräumen richtig losgehen konnte.
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Wäre Judith nicht gewesen wäre die Slytherin wohl wie ein aufgeregter Welpe hinüber zu Nikolaj geeilt um ihm nah zu sein. Ihre übliche Contenance war wie fortgewischt und sie konnte nicht aufhören ihn anzusehen. Selbst in dem Augenblick, in dem sie sich neben Judith setzte, wollte sich das nicht ändern.
Zumindest hatte die junge Frau die Gewissheit, dass es ihm das nicht völlig anders ging. Sie konnte es darin sehen, wie er sie ansah und wie er sich verhielt wenn sie in der Nähe war, so anders, dass es ihr das Herz schwer wurde und sie begriff, dass sie von Bedeutung für ihn war. Und er hatte sie geduzt! Nikolaj Blinow, der sich an seine Höflichkeiten klammerte wie an einen Anker, hatte sie geduzt und das vor einer beinahe Fremden. Laurel wäre wohl mit einem wehleidigen Seufzen in Ohnmacht gefallen, wenn ihre Aufmerksamkeit nicht eben von jener Fremden in Anspruch genommen wurde. Was die Andere betraf hätte sie vielleicht andere Dinge geschickter machen können aber sie hätte nicht gewusst wie.
Die Britin war mit einem Bruder aufgewachsen und sie hatten Beide dabei nicht viel Feingefühl entwickelt. Ihr Bruder hatte sie schikaniert und sie hatte ihm das stets mit gleicher Münze heimgezahlt. Jetzt waren sie Beide mit anderen Dingen beschäftigt und die Probleme des Anderen blieben meist auch die Probleme des anderen. Grundsätzlich redete sie nie über die Komplikationen in ihrem Leben und Josiah schien sich mit ihrem Schweigen angefreundet zu haben.
Das einzige woran die Dunkelhaarige wirklich Interesse hegte und wofür ihr Herz schlug waren nun einmal Flora und Fauna. Sie könnte Stunden damit zubringen sich um Pflanzen zu kümmern, bei Menschen sah das anders aus. Letztere wollten ja meistens auch Konversation betreiben, ein Reiz mit der die Natur eher selten auf kam.
Nachdenklich betrachtete sie Judith und hatte auf Grund der bröckligen Stimme einen Moment das Gefühl, dass sie die andere in den Arm nehmen sollte. Allerdings waren auch Umarmungen nicht unbedingt eine Spezialität der Hexe, weswegen sie ihre Hände nur auf ihrem Schoß ineinander verschränkt hatte.
Die Tränen stoppten und die Slytherin befürchtete bereits, dass sie jetzt wütend statt traurig war, aber stattdessen sah sie relativ erleichtert aus. Zumindest sah sie nicht mehr so aus als hätten die beiden Schlangen ihr so eben den Tag ruiniert. Ein Fortschritt für zwei soziale Interaktionsnieten wie Laurel und Nikolaj.
Wahrscheinlich sah die Dunkelhaarige auch deswegen recht zufrieden aus. Als Judith wieder aufstand und auch der Ältere so wirkte als wäre er nun weitaus entspannter. Das ging eindeutig auf ihre Liste! Später würde sie sich dafür Punkte gutschreiben oder sowas. Soziale Interaktionspunkte. Gab es so etwas? Unwichtig. Sie würde es dann eben erfinden!

,,Nun, ich kann ihm nur Recht geben. Ich fürchte mich auch. Halbblut hin oder her, die Furcht bleibt. Irgendetwas stimmt hier nicht und so lange auch nur einer an diesem Ort keinen Frieden finden kann, wird keiner es wirklich können. Glaub mir’’, antwortete sie und lächelte sanft. Selbst ihre Eltern hatten leichte Sorge heraushören lassen. Normalerweise waren die Briefe ihres Vaters stets recht förmlich, doch selbst er schien in Sorge und hatte sowohl Laurel als auch ihren Bruder gefragt, ob sie die Schule verlassen wollten. Noch hatte sie sich nicht dazu genötigt gefühlt, mochte es noch so unsicher sein, hatte sie auch Freunde hier und dieses Umfeld war ihr Zuhause geworden. Man verließ sein Zuhause nicht ohne triftigen Grund.
Die Britin ging um einen der umgefallen Tische herum und sah zu den am Boden liegenden Figuren hinunter. Unvorstellbar was hier passiert war. Das würde sowieso niemand glauben können. Man würde ihr vorwerfen die Fotografie wäre inszeniert und schon wäre der Artikel dahin. Da würde kein Schreiber der Welt eine glaubhafte Geschichte draus zaubern können. Wahrscheinlich war es um Judiths Willen auch besser, wenn sie alle diese Angelegenheit vergessen würden.
Sie kniete sich vorsichtig zu Boden um ein paar der Figuren aufzuheben. Derweil Nikolaj eines der Regale wieder aufrichtete, stellte sie die Figuren wieder an einen sicheren Platz zurück. ,,Wessen Scherz dies auch gewesen sein mag, lachen kann ich darüber nicht’’, murmelte sie lediglich und richtete sich wieder auf. Am Ende würde sie noch einmal verrückt werden bei all diesen total amüsanten Streichen der Gryffndors. Ob Nachahmer von Potter oder er selbst, machte da kaum einen Unterschied.
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